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19. Dezember 2022

Recyceltes Gold: Mogelpackung?

Unter einigen Marktteilnehmern gilt recyceltes Gold als der heilige Gral des ESG-freundlichen Goldes. In einem Marktkommentar stellt Nitesh Shah, Leiter Rohstoff- und Makro-Research Europa bei WisdomTree, diese Einschätzung infrage.

In der Tat sei Gold unbegrenzt wiederverwertbar und da das meiste Gold oberirdisch leicht mobilisiert werden könne, habe es die höchsten Recyclingraten aller Metalle. Gold sei einfach zu teuer, um weggeworfen zu werden, was zu hohen Recyclingraten führe. 

Hoher Recycling-Anteil

Nitesh Shah, Director Research bei WisdomTree
Nitesh Shah, Leiter Rohstoff- und Makro-Research Europa bei WisdomTree

Das bedeute, dass die Übertagebestände fast 60 Jahren der derzeitigen jährlichen Bergbauproduktion entsprechen. Der größte Teil dieses Goldes (85 Prozent) sei zudem sehr leicht zu recyceln. Da es sich in den Händen von Privatpersonen und Zentralbanken befinde und von hoher Qualität sei, mache das jährlich neu geförderte Gold (3.560 Tonnen im Jahr 2021) nur etwas mehr als zwei Prozent dieser leicht zu erwerbenden oder „marktnahen“ recycelbaren Goldbestände aus.

Nicht nur werde fast das gesamte Gold bereits recycelt, sondern auch der Großteil des von den LBMA Good Delivery-Raffinerien verarbeiteten Goldes. Das Gold auf dem Londoner Goldmarkt für außerbörslich gehandelte Goldbarren ist LBMA Good Delivery, weshalb der durchschnittliche LBMA-Barren bereits einen hohen Anteil an recyceltem Material aufweisen sollte.

„Billige Augenwischerei“

Die dargestellten Zahlen zeigen, dass es fast unmöglich wäre, die Menge des recycelten Goldes wesentlich zu erhöhen. „Daher hat die Wahl einer reinen Recycling-Strategie zur Verbesserung der ESG-Eigenschaften eines Goldbarrens wahrscheinlich keinerlei Auswirkungen auf den Markt und die Umwelt. Sie dient allenfalls als billige Augenwischerei für diejenigen, die ein Kästchen ankreuzen wollen“, so Nitesh Shah. 

Auf der Mikroebene möge der Barren eine geringe Treibhausgasbilanz haben, wenn man nur die mittleren bis nachgelagerten Emissionen betrachte, aber der gesamte Lebenszyklus des Barrens (d. h. einschließlich des Abbaus des Ausgangsmaterials) würde größere Treibhausgasemissionen verursachen. Diejenigen, die die Geschäftspraktiken in der Goldindustrie ändern wollen, könnten ihre Bemühungen auf andere Bereiche richten.

Druck von Verbrauchern

Recycling könne ohnehin nicht die gesamte Nachfrage nach Gold decken. Ohne den Druck von Verbrauchern und Anlegern und eine angemessene Aufsicht über die Bergbau- und Raffinerieunternehmen werde sich das neu produzierte Gold in Bezug auf die ESG-Kriterien wahrscheinlich nicht verbessern. Nach Meinung von Shah bestehe die einzige Möglichkeit zur Verbesserung in der Goldwertschöpfungskette darin, „die Probleme an der Quelle zu bekämpfen und sicherzustellen, dass neues Gold, das in das System gelangt, die höchstmöglichen ESG-Standards erfüllt und dass alle verbleibenden negativen Auswirkungen ausgeglichen werden.“ 

Fragwürdiges Gold

„Wir glauben, dass die Anleger ihren Einfluss auf neu gefördertes Gold geltend machen können. Wenn Anleger einfach nur recycelte Produkte kaufen und den Rest des Marktes ausblenden, geht ihr Einfluss verloren.“ Nicht nur habe ausschließlich recyceltes Gold keine nennenswerten positiven Auswirkungen auf die Umwelt, es könne auch zu einem übermäßigen Goldumlauf führen. Damit steige das Risiko, dass Gold aus fragwürdigen Quellen in den Recyclingpool gelangt. 

WisdomTree/HK

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