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19. Dezember 2022

Peter Brezinschek: Rezession bleibt aus!

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Die Welt befindet sich in einer Zeitenwende. Aber nicht erst seit dem Ukraine-Krieg, meint Raiffeisen-Ökonom Peter Brezinschek im Interview mit dem GELD-Magazin. Das Umfeld bleibt schwierig, vor der Rezession sollten wir aber bewahrt bleiben.

v.l.n.r. Harald Kolerus, GELD-Magazin, Peter Brezinschek, Raiffeisen Research: „Die Zeitenwende ist mindestens schon zehn Jahre alt.“ (Foto: invanshoots)

Erfreuliche Nachricht: Wir werden voraussichtlich nicht in die Rezession stürzen, so Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen Research. 

Wie schätzen Sie aktuell die ökonomische Großwetterlage ein?

Ich habe das bei meinem Vortrag am Institutional Investors Congress mit Bildern verbunden, die eine Abendstimmung und einen sich lila-rot verfärbenden Himmel zeigen. Das Rot am Horizont ist ein Zeichen dafür, dass sich etwas in der Atmosphäre verändert. Was dafür spricht, dass wieder ein Wetterwechsel bevorsteht. Davon hatten wir auch in der jüngeren Vergangenheit bedeutende: Nach der Covid-19-Pandemie sahen wir 2021 und 2022 im ersten Halbjahr einen wirtschaftlichen Aufholprozess, der ging heuer aber verloren: In Europa im vierten und in Österreich schon im dritten Quartal. Dieser „Tiefdruckkomplex“ wird meiner Meinung nach aber nicht so lange anhalten, wie viele meinen und nicht bis ins Jahr 2024 hineinreichen. Schon im Frühsommer 2023 sollte ein „Azorenhoch“ wieder für Aufhellung sorgen.

Worauf begründet sich ihre eher optimistische Prognose?

Dafür sprechen einige ökonomische Frühindikatoren wie zum Beispiel Einkaufsmanagerindizes oder der ifo Geschäftsklimaindex. Weiters kommen Basiseffekte und eine Stagnation bei den Energiepreisen ins Spiel. Entspannung sehen wir auch auf der Rohstoffseite: Ob etwa bei Kupfer, Lithium oder Bauholz. Sprich: Die Teuerungseffekte nehmen ab, die „dicken Wolken“ sollten sich in einem gewissen Maße wieder verziehen.

Apropos Teuerung, wie wird es mit der Inflation weitergehen?

Wie bereits erwähnt, lassen einige Preistreibende Effekte nach, die Teuerung wird also eindeutig zurückgehen. Für die Eurozone rechnen wir 2023 mit einer Gesamtinflationsrate von sechs Prozent, für 2024 von 3,5 Prozent. Für Österreich sehen unsere Prognosen sehr ähnlich aus: Sechs Prozent im kommenden Jahr, 2024 sollten es 3,1 Prozent sein. Aber die Kerninflation (Gesamtrate ohne Energie &Nahrungsmittel) wird höher bleiben. 

Aber wie sieht es mit der Gefahr einer Rezession aus?

Die Auswertung von Vorlaufindikatoren sprechen dafür, dass wir jeweils auf das Gesamtjahr gerechnet keine Rezession sehen werden. Unsere Prognosen für die Eurozone gehen von einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent im Jahr 2023 und 2 Prozent in 2024 aus. In Österreich glauben wir heuer an eine BIP-Steigerung von 5 Prozent, nächstes Jahr sollen es 0,5 und 1,8 Prozent in 2024 sein.

Kommen wir jetzt zur großen Weltpolitik: Sie sprechen von einer „Zeitenwende“ …

Die Zeitenwende ist nicht erst seit dem von Russland angezetteltem Krieg in der Ukraine angebrochen, sie hat meiner Meinung nach schon vor mindestens zehn Jahren begonnen. Und zwar mit der „Belt an Road Initiative“ Chinas, auch „Neue Seidenstraße“ genannt. Mit ihr zieht das Reich der Mitte über 60 Staaten Asiens, Afrikas und Europas in seinen Einflussbereich. Ein Beispiel dafür ist die Beteiligung an vielen Häfen, etwa in Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich oder den Niederlanden. Zuletzt machte die Beteiligung am Hamburger Hafen Schlagzeilen. Es wäre jetzt sehr naiv zu glauben, dass China hier aus Jux und Tollerei heraus agiert. Natürlich stehen hier geopolitischen Überlegungen im Raum. Europa reagiert auch auf chinesische Unternehmensbeteiligungen oft naiv. 

Abschließend: Wie sollten sich Anleger im aktuellen Umfeld positionieren?

Die Erwartungen an den Aktienmarkt müssen wir im Vergleich zur Vergangenheit einbremsen: Die Zeiten zweistelliger Renditen sind einmal vorbei. Andererseits sind Aktien jetzt günstig, innerhalb eines Gesamtportfolios ist ein Anteil von über 50 Prozent keine schlechte Idee. Wobei Investments mittels Teilbeträgen bzw. Vermögenssparplänen wohl am besten geeignet sind. Am Immobilienmarkt ist die große Party zu Ende gegangen – steigende Zinsen und die strengeren Kreditbestimmungen in Österreich schmälern die Attraktivität. Konkurrenz entsteht durch Anleihen, die langfristig wieder reale Renditen einfahren können. Am Sparbuch könnten Zinsen von 2,5 bis 3 Prozent bei längerer Laufzeit schon ab nächstem Frühjahr möglich sein.

www.rbinternational.com

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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