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5. Mai 2022

Österreich: Gasembargo kaum leistbar

Ökonomen der Agenda Austria gehen in drei Szenarien der Frage nach, welche Folgen ein Stopp der russischen Gaslieferungen für Österreich hätte. Das Gasembargo könnte der Volkswirtschaft bis zu 17 Milliarden Euro kosten.

Gas_Foto von Sugarman Joe auf Unsplash

Österreichs Energieversorgung ist ohne die Gaslieferungen Russlands derzeit nicht darstellbar. Zu diesem Schluss kommen Marcell Göttert und Jan Kluge, Ökonomen bei Agenda Austria, in einem gemeinsamen Policy Brief: Was passiert, wenn kein Gas mehr fließt? „Kurzfristig kann Österreich diese Energiemengen aus eigener Kraft unmöglich ersetzen“, so die Experten. 

Gas-Einbruch?

Bekanntlich kommen 80 Prozent des heimischen Gasbedarfs aus Russland. Göttert und Kluge erstellten ihre Berechnungen unter der Annahme, dass die Gaslieferungen noch im Mai gestoppt werden. Fast 60 Prozent des Jahresverbrauchs wären in diesem Fall betroffen. Die Ökonomen gehen von drei unterschiedlichen Szenarien aus: Im besten Fall gelingt es der EU, zwei Drittel des Einbruchs zu kompensieren, womit Österreich nur auf etwa 15 Prozent der Gesamtmenge verzichten muss. Im schlechtesten Fall misslingt der Ersatz fast vollständig; Österreich kann 40 Prozent seines jährlichen Gasbedarfs nicht decken. 

17 Milliarden minus

Einen herben Dämpfer erleidet die Wirtschaft in allen drei Szenarien. Die optimistische Annahme führt zu einem Rückgang der realen Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 1,5 Prozentpunkte. Im mittleren Szenario sinkt das BIP heuer um 2,4 Prozentpunkte. Im Worst Case bricht die Wirtschaft um 4,5 Prozentpunkte ein. Das entspricht einem Gegenwert von fast 17 Milliarden Euro, annähernd 80.000 Menschen würden arbeitslos werden. 

Embargo trifft Industrie

Die schwerste Last werde im Falle eines Gasembargos die Industrie tragen müssen. Papierherstellung, Metallerzeugung und Chemie wären in einem ersten Schritt unter den Hauptbetroffenen. Wo Erdgas als Vorprodukt eingesetzt wird, kann es gar nicht ersetzt werden. Das gilt etwa für Teile der Düngemittelproduktion. Andere Branchen könnten Gas zwar kompensieren, aber nur mit erheblichem Aufwand und nicht sofort. Wenig betroffen wäre zumindest anfangs der Dienstleistungssektor. Auch dort sind über Zweitrundeneffekte aber empfindliche Einbrüche zu erwarten.
 
Der staatliche Verteilungsmechanismus würde private Haushalte und den Energiesektor bevorzugt behandeln. Doch auch in diesen Bereichen hätte ein Gasboykott indirekt massive Auswirkungen – nicht zuletzt durch noch einmal stark steigende Preise. 

Rezession droht

Die Szenarien zwei und drei könnten Österreich heuer in eine Rezession führen. Das günstigste Szenario eins mündet in eine Stagflation. Grund dafür sind auch weitere Abwärtsrisiken, die in den Szenarienrechnungen nicht enthalten sind. Dazu zählen etwa ein weiter steigender Gaspreis, die neuerlich verschärften Lieferkettenprobleme durch die Corona-Maßnahmen in China und eine mögliche weitere Eskalation des Kriegs in der Ukraine. Die Regierung müsse nun sofort ihre Notfallpläne überprüfen und aktualisieren, um bei Bedarf handlungsfähig zu sein, empfehlen die Autoren. Mittelfristig werde an einer deutlichen Reduktion des Gasbedarfs kein Weg vorbeiführen.

Agenda Austria/HK
Fotocredit: Sugarman Joe auf Unsplash

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