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14. Juni 2022

Inflation: Politik unter Druck

In der Öffentlichkeit steigt der Druck, endlich energischer gegen die Inflation vorzugehen, sprich die Zinsen zu erhöhen und die Konsumsteuern zu senken. Dieter Wermuth, Ökonom bei Wermuth Asset Management, sieht die Wirtschaftspolitik aber ziemlich ratlos.

Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management
Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management

„Vor allem die Sparer, die ärmeren Haushalte – die einen großen Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben – und die Autofahrer haben begonnen, auf die Barrikaden zu gehen. Bei den Politikern hat das bereits Eindruck gemacht. Sie haben reagiert und planen zudem weitere Schritte.“

Kampf gegen Inflation

„Insgesamt geht es beim Kampf gegen die Inflation darum, die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen abzukühlen. Kurzfristig lässt sich ja das Angebot nicht vergrößern. Dabei reichen allein die hohen Preise für Energie und Nahrungsmittel, die Nachfrage zu dämpfen. Sie sind so stark gestiegen, dass die Haushalte für die übrigen Ausgaben weniger Geld haben und sich einschränken müssen. Anders ausgedrückt, die Käufer von Energie und Nahrungsmitteln treten seit einigen Quartalen einen immer größeren Teil ihres Einkommens an die Produzenten dieser Güter ab – die wiederum gar nicht so viel ausgeben können, als dass sie den Nachfrageeinbruch bei den Käufern ausgleichen könnten.“

Zinsen steigen

„Es kommt hinzu, dass im Augenblick an den Geldmärkten erwartet wird, dass die Fed die Leitzinsen in diesem Jahr trotz der Konjunkturrisiken noch um 250 Basispunkte (auf 3,33 %) erhöhen wird, die EZB um immerhin 160 Basispunkte (auf 1,6 %). Selbst diese Zinsniveaus dürften noch weit unterhalb der Inflationsraten liegen, die für Ende 2022 zu erwarten sind, und auch unterhalb der niedrigeren Raten für die Kerninflation. Stand heute werden die Notenbanken die Zinsen im Jahr 2023 weiter anheben.

Sie haben auch angekündigt, dass sie die Nettokäufe von Staatspapieren und Unternehmensanleihen einstellen wollen (die Fed hat schon damit begonnen), wodurch ein bedeutender Teil der Nachfrage nach diesen Papieren entfallen wird und so auf die Kurse drückt.“

Eurozinsen

Jobmarkt funktioniert

„Noch ist die Lage an den Arbeitsmärkten äußerst erfreulich. In Deutschland ist die Beschäftigung in den vergangenen zwölf Monaten um 1,7 % gestiegen, im Euroraum insgesamt um 2,9 % und in Amerika um 4,5%. Nur wenn es am Arbeitsmarkt Probleme gibt, dürften die Notenbanken beginnen, ihren Restriktionskurs zu überdenken. Noch ist es nicht so weit.“

Börsen belastet

„An den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere hat die Wende in der Geldpolitik tiefe Spuren hinterlassen. Es hat große Kursverluste gegeben. 10-jährige US Treasuries verzinsen sich mittlerweile mit 3,34 %, 10-jährige Bundesanleihen mit 1,63 % und sind damit im Vergleich zu Aktien immer attraktiver geworden. Seit ihren Tiefpunkten am 5. August 2021 sind sie jeweils um rund 215 Basispunkte gestiegen.

Nicht nur dadurch sind die Aktienmärkte unter Druck, sondern auch, weil der Gegenwartswert der Unternehmensgewinne sinkt. Aktienkurse lassen sich als Summe der künftigen, auf heute abdiskontierten Profite verstehen. Solange es keine Wende bei den Inflationsaussichten gibt, wird der Druck auf die Aktienmärkte anhalten. Es gibt also zurzeit – und auf absehbare Zeit – mindestens zwei negative Vermögenseffekte: am Rentenmarkt und bei den Aktien, vermutlich demnächst auch bei Immobilien, deren Preise seit der Finanzkrise von 2007/09 ebenfalls explodiert waren. Das betrifft zwar zunächst nur die Buchwerte, drückt aber auf die Stimmung und damit auf die Bereitschaft, Kredite aufzunehmen und Geld auszugeben.“

Überforderte Politik?

„Insgesamt steht es wegen der Ölkrise und der Trendwende in der Wirtschaftspolitik schlecht um die Konjunkturaussichten. Eigentlich passen restriktive Maßnahmen nicht ins Bild. Von Robert Solow stammt der Satz: „Es ist möglich, selbst eine hartnäckige Inflation durch starken Druck auf die Nachfrage auszumerzen – aber das ist sehr teuer. Es ist so, als würde man das Haus anzünden, nur um sein Schwein zu grillen.“

Wermuth abschließend: „Geldpolitik ist keine einfache Sache. Jedenfalls sollte man nicht übertreiben. Vollbeschäftigung ist wichtiger als niedrige Inflationsraten.“

Wermuth AM/HK

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