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11. Mai 2022

Immobilien: Finanzierung in schwierigen Zeiten

Die gute Nachricht vorweg: Noch liegt genug Geld für die Finanzierung von Immobilien in den Banken bereit. Risikoappetit ist in gewissem Maße immer noch vorhanden, von einer Schockstarre der Kreditwirtschaft sind wir meilenweit entfernt.

Michael Smutny, Finanzexperte bei Advicum Consulting
Michael Smutny, Finanzexperte bei Advicum Consulting

Aber ist das lediglich die Ruhe vor dem Sturm, der mit einer Zuspitzung der aktuellen Krisensituationen auch die Immobilienbranche treffen könnte? Wer weiß schon, welche Eskalationsstufen uns im Ukraine-Konflikt noch bevorstehen, welche weiteren Auswirkungen das auf die Rohstoff- und Lieferkettenproblematik hat, wie sich die Inflationsspirale weiterdrehen und die Zinsen nach oben pushen wird.

Gewiss scheint jedenfalls, dass die goldenen Niedrigzins-Zeiten für Immobilieninvestoren ihrem Ende entgegen gehen bzw. wir bereits die Talsohle durchschritten haben. Noch warten die Nationalbanken mit Leitzinserhöhungen zu, und je nach Krisenverlauf kann das auch noch eine Weile so bleiben, vielleicht bis Ende des heurigen Jahres. Die Signale einer Zinswende sind jedoch unüberhörbar. Dass es auch 2023 noch so günstige Zinsen wie heute für Immobilienprojekte geben wird, darf jedoch mit Recht bezweifelt werden.

Strenge Prüfung – gute Kredite

Schon jetzt hat sich in Sachen Kreditvergabe für Immobilien viel getan. Wenngleich die Finanzierungsstrukturen weitgehend unverändert sind und die Daumenschrauben bei potentiellen Kreditnehmern noch nicht wirklich angezogen wurden, müssen diese mit erheblich strengerer Prüfung rechnen. „KYC“ heißt in diesem Zusammenhang ein Kürzel, das in aller Munde ist: „Know your Customer“. In standardisierter Form wird dabei von den Banken geklärt, wer der „ultimative Shareholder“ ist, also wer tatsächlich hinter dem Kreditnehmer steckt. Steht dieser auf einer der aktuellen Sanktionslisten, war’s das mit dem Kredit.

Neben einem fundierten und aussagekräftigen Businessplan liegt ein Fokus auch auf der Prüfung der Rückzahlungsfähigkeit. War es früher die klassische Hypothek, die zur Besicherung eines gewerblichen Immobilienprojektes zumeist ausreichte, so wird heute ein genaues Auge auf den Cash Flow des Projektes geworfen, werden Stressszenarien und Sensitivitäten berechnet. Auch in einem prognostizierten Down-Side-Szenario sollte die Rückzahlung des Kredites ungefährdet sein, lautet das Motto der Banken. Oftmals werden Absicherungen durch diverse Hedging-Instrumente, Derivate, Swaps oder Caps gefordert, ergänzt um Versicherungsvinkulierungen, persönliche Haftungen oder zeitlich befristete Sponsorengarantien. Immer häufiger kommt es auch zu einer Sicherstellung durch Verpfändung der Eigentümergesellschaft: Bleibt die Rückzahlung des Kredites dauerhaft aus, gehört der Bank nicht nur die Immobilie, sondern gleich die ganze Gesellschaft hinter dem Projekt.

Ohne Nachhaltigkeit geht nichts

In der Höhe der Kreditvergabe orientieren sich die Banken strenger als bisher an standardisierten Kennzahlen. LTC (Loan to Cost) und LTV (Loan to Value) geben Aufschluss über die akzeptable Belehnungshöhe der Immobilie. 30 bis 35 Prozent Eigenmittel sollten jedenfalls schon vorhanden sein, im Detail hängt dann vieles auch von Art und Standort der Immobilie ab. Hat beispielsweise ein Gewerbepark noch Sinn, wenn man ihn nur mit dem Auto erreichen kann? Faktoren wie steigende Mobilitätskosten oder höheres Umweltbewusstsein fließen in diese Bewertung selbstverständlich mit ein.

Apropos Umwelt: Ein weiterer Aspekt gewinnt bei der Immobilienfinanzierung generell an Bedeutung, nämlich das Thema Nachhaltigkeit. Börsennotierte Banken als auch Fonds sind sogar regulatorisch gezwungen, ESG-Qualitätsstandards in ihrer Veranlagungsstrategie nachzuweisen. Dementsprechend empfiehlt es sich für Immobilien-Developer von vorneherein auf Nachhaltigkeit in allen Facetten zu achten, diese in ihren Bau- und Betriebsplänen entsprechend zu implementieren und die erforderlichen Zertifikate einzuholen. Nachhaltigkeit ist also in der Immobilienbranche kein Luxus mehr, den man sich leisten können muss, sondern ein „Must have“, um ein Projekt überhaupt finanzieren zu können.

Gastbeitrag von Michael Smutny, Finanzexperte bei Advicum Consulting.

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