12 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 3/2024 vollumfängliche Einhaltung der EU-Standards bezüglich Produkt- und Lebensmittelsicherheit sowie bezüglich Tier- und Pflanzengesundheit.“ Der richtige Weg? Aber wie sieht das Abkommen unter entwicklungspolitischen Aspekten aus? Bernhard Tröster, Ökonom an der ÖFSE (Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung) erklärt: „Die ÖFSE vertritt keine übergeordnete Meinung, ob das Mercosur-Abkommen abgeschlossen werden soll oder nicht. Aber wir zeigen gewisse Aspekte auf, Chancen und Risiken, die abgewogen werden sollten. So sehen wir etwa die große Hoffnung der Industrie, dass durch das Abkommen die Exporte der EU massiv gesteigert werden, nicht. Dafür ist die Ausgangsbasis nicht breit genug. Denn nur zwei bis drei Prozent aller Exporte der EU gehen in die Mercosur-Region. Auch ist Mercosur ebenfalls nur mit zwei bis drei Prozent für die gesamte Wirtschaftsleistung außerhalb der EU verantwortlich. Wenn es positive Aspekte für die europäische Industrie geben sollte, dann nur langfristig, unmittelbar sind keine großen Impulse zu erwarten.“ Was der Experte aus entwicklungspolitischer Sicht an dem geplanten Abkommen kritisiert: „In den lateinamerikanischen Staaten ist die Agrarwirtschaft stark, in der EU die Industrie – dieses Verhältnis würde sich noch zusätzlich verstärken. Somit würden negative Muster zementiert werden, denn die Industrie sorgt ja eher für mehr Wachstum und Dynamik als die Landwirtschaft und der Rohstoffabbau. Wichtig wäre es, die industrielle Entwicklung gemeinsam mit den Mercosur-Ländern voranzutreiben, dafür braucht es viel mehr und engere Kooperation sowie gegenseitiges Verständnis. Die Annahme, dass Handelsliberalisierungen alleine zu Wohlstandsgewinnen führen, ist zu wenig.“ Tröster führt weiter aus, dass Handelsabkommen eigentlich Vereinbarungen sind, die den Freiraum von Staaten einschränken: „Gerade diesen Spielraum wünschen sich aber viele Länder vermehrt, etwa für industriepolitische Maßnahmen. Alleine Zölle zu senken und bereits bestehende Handelsbeziehungen zu untermauern, ist keine langfristige Lösung für strukturelle Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel, grüne Transformation oder Digitalisierung.“ Fazit Das Abkommen ist nicht das „Gelbe vom Ei“. Es würde die EU wie auch Mercosur aber auch nicht in die befürchtete Umweltkatastrophe stürzen. Schlimm wäre aber der Reputationsverlust Europas, sollte der Vertrag nach 25 Jahren Verhandlungen letztendlich scheitern. Gestiegen:Warenhandel der EU mit Mercosur Fahrplan zum Freihandel Bereits im Vorjahr wurde eine politi- sche Einigung zwischen der EU und den Mercosur-Staaten erzielt. Im September 2025 hat dann die EU-Kommission dem Rat sowie dem Europäischen Parlament zwei Verträge unterbreitet: Der eine betrifft ausschließlich EU-Kompetenzen (zum Beispiel Handel) und benötigt somit „nur“ die Zustimmung von Parlament und Rat. Der andere erfordert die nationale Ratifizierung der Mitgliedstaaten. Aus heutiger Sicht soll die Abstimmung im Rat bereits im kommenden Dezember erfolgen, im Parlament im nächsten Frühjahr. Störungen möglich Ist das Abkommen somit „in trockenen Tüchern“? Harald Oberhofer, Ökonom an WU und WIFO, würde das so nicht unterschreiben: „Wie die Abstimmungen ausgehen, ist noch unklar. Gegen Mercosur haben sich Italien, Polen, Frankreich und Österreich positioniert. Sollten etwa Italien, Polen und Frankreich dagegen stimmen, ist eine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 % der Mitgliedstaaten, die zumindest 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren, Anm.) nicht möglich.“ BRENNPUNKT . Welthandel Im Vergleich zu 2023 stiegen 2024 die Importe der EU aus den vier Mercosur-Gründungsstaaten um 4,2 Prozent, während die Exporte leicht um 1,3 Prozent zurückgingen. Quelle: eurostat Mrd. Euro Exporte 0 2014 10 20 30 40 50 60 70 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 Importe GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 5/2025
RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=