GELD-Magazin, Nr. 3/2025

Tech-Großmächte. Kolonialismus war gestern – oder? Leider nein, wenn man den Ausführungen im vorliegenden Buch folgt. Der Tech-Journalist Ingo Dachwitz und der Globalisierungsexperte Sven Hilbig beleuchten die mehr als zweifelhafte Rolle der weltweit führenden Technologie-Konzerne, die versuchen, die Welt unter sich aufzuteilen. Die Leidtragenden sind dabei vor allem im globalen Süden beheimatet. Statt physisch Land einzunehmen, erobern die heutigen Kolonialherren den digitalen Raum. Statt nach Gold und Diamanten lassen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen nach Rohstoffen (zum Beispiel Kobalt oder Lithium) graben, die wir für unsere Smartphones und Elektro-Automobile benötigen. Statt Sklaven beschäftigen sie Heere von „Klickarbeitern“, die zu Niedriglöhnen in digitalen Sweatshops (Ausbeutungsbetrieben) arbeiten, um soziale Netzwerke von Porno-Schund und exzessiven Gewaltdarstellungen zu säubern oder vermeintlich Künstliche Intelligenz am Laufen zu halten. Vermeintlich deshalb, weil ChatGPT und andere KI-Tools in Wirklichkeit auf „maschinelles Lernen“ angewiesen sind. Auch das ein irreführender Begriff, denn für die Speisung mit unzähligen Datensätzen zeichnen wiederum sogenannte „Geisterarbeiter“ verantwortlich – eben Scharen von unterbezahlten Menschen und keine seelenlosen Maschinen. Bezeichnet werden die Chat-Bots auch als „stochastische Papageie“, weil sie zwar plausibel oder gar logisch klingende Sätze bilden, jedoch nicht die Bedeutung dahinter verstehen können. Dachwitz und Hilbig ziehen den Schluss: „Der Kolonialismus von heute mag sich sauber und smart geben, doch eines ist gleichgeblieben: Er beutet Mensch und Natur aus und kümmert sich nicht um gesellschaftliche Folgen vor Ort.“ Digitaler Kolonialismus Dachwitz/Hilbig. Verlag: C.H.Beck. 304 Seiten. ISBN: 978-3-406-82302-2 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt Kopfnüsse. Schon allein der Buchtitel „Demokratie und Gewaltengliederung“ geht einem nicht gerade einfach von den Lippen. Es handelt sich hierbei um keinen Polit-Krimi, sondern um eine hochkomplexe Analyse – wenn man sich auf die Lektüre einlässt, zahlt sich das aber aus. Zur Einführung startet der Exkurs in die Politische Philosophie und Demokratietheorie mit der Gegenüberstellung von expressiver und repräsentativer Demokratie. Hier lernen wir zum Beispiel, dass Demokratien Gemeinschaften von Personen sind, die auf der Grundlage wechselseitiger Anerkennung operieren. Gewaltenteilung oder, wie es im Buch zumeist heißt, Gewaltengliederung ist wiederum ein Konzept, das – so Möllers – im zeitgenössischen vergleichenden Verfassungsrecht viel verwendet, oft kritisiert, aber zu selten theoretisch reflektiert wird. Gewaltengliederung gilt dabei gemeinhin als ein Prinzip, das vorhandene politische Herrschaft durch Recht formalisiert und einschränkt. So weit, so kompliziert. Und die Materie wird nicht gerade leichter, wenn es etwa heißt: „Modelle der Gewaltengliederung verbinden Elemente der Handlungsfähigkeit mit solchen der Handlungshemmung in einer auf Legitimität ausgerichteten Art und Weise.“ Vielleicht kann man es so verständlicher machen: Den klassischen rechtsstaatlichen Institutionen Legislative, Exekutive und Judikatur darf nicht zu viel Gewalt (im Sinne von Macht) auf einmal in die Hand gespielt werden. Die einzelnen Bereiche sind ineinander verwoben. Unerfreulich ist jedenfalls folgende Beobachtung Möllers: Die Entwicklung der Institutionen in vielen Ländern, auch in den Vereinigten Staaten, bewegt sich in Richtung eines kompetitiven Autoritarismus, der das tradierte Gewaltenteilungsmodell hinter sich lässt. Demokratie und Gewaltengliederung Christoph Möllers. Verlag: Suhrkamp. 400 Seiten. ISBN: 978-3-518-30063-3 82 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 3/2025

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