GELD-Magazin, Nr. 3/2025

5 Overkill - die EU-Krise hat viele Väter und Mütter Besonders die Finanz- und Versicherungsbranche spürt die Folgen einer überregulierten Bürokratie. Ein kritischer Blick auf Missstände – und ein Appell für echte Reformen. „EU-Krise“ ruft viele Assoziationen hervor: fragwürdige Wahlergebnisse, die Rolle der Ukraine, Verstöße gegen Maastricht-Kriterien, Defizitverfahren und vieles mehr. Unübersehbar ist die wachsende Unzufriedenheit – quer durch alle Mitgliedsstaaten und Bevölkerungsgruppen. Auch ich, einst überzeugter Befürworter des EU-Beitritts, sehe nach wie vor die Vorteile, bin aber zunehmend besorgt über Fehlentwicklungen – gerade in der Finanz- und Versicherungsbranche. Hier wurden die Marktteilnehmer regelrecht mit Richtlinien, Guidelines und Vorschriften überrollt – von Datenschutz bis Compliance, von „Transparenz“ (also 60 Seiten am Antrag) bis zum Provisionsverbot. Die zunehmende Bürokratisierung hat vor allem Beraterinnen und Berater enorm belastet – sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Regulierungsflut ohne Maß – und mit wenig Sinn Wie soll ein kleiner Gewerbetreibender eine Lieferkettenrichtlinie erfüllen? Wie ein Versicherungsmakler die „Nachhaltigkeit“ eines Fondsanbieters bewerten, wenn sich die Kriterien laufend ändern? Solche Anforderungen sind realitätsfern und lähmen die Praxis. Widersprüchlich wird es, wenn Umweltauflagen europäischen Versicherern verbieten, Kohlekraftwerke zu versichern. Als wegen der Energiekrise auch in Österreich ein solches wieder in Betrieb genommen wurde, musste es in China versichert werden. Das hat natürlich ähnlich viel „Sinn“, wie der Import russischen Öls oder Gases via Aserbeidschan oder SaudiArabien. Oder wenn Schulden plötzlich „Sondervermögen“ heißen und Aktien von Rüstungsfirmen plötzlich als „nachhaltig“ gelten. Solche Entwicklungen untergraben die Glaubwürdigkeit europäischer Politik massiv. Immerhin scheint die EU-Kommission nun erkannt zu haben, dass deutlich über das Ziel hinausgeschossen worden ist. Der angekündigte Regulierungsstopp ist ein Hoffnungsschimmer – ob er allerdings noch rechtzeitig kommt, etwa im Hinblick auf das drohende Provisionsverbot für Kapitalanlageprodukte, bleibt offen. Altersvorsorge – Thema mit Sprengkraft Gerade die Altersvorsorge wäre ein Feld, auf dem die EU punkten könnte und sogar müsste – wäre da nicht ihre verfehlte Strategie. Das „paneuropäische Pensionsprodukt“ PEPP etwa hatte theoretisch Potenzial, scheiterte aber an überbordenden Auflagen und realitätsfernen Vorgaben. Die Folge: Ein paar Exoten bieten es an, aber 99,99 Prozent kennen es gar nicht, Berater und Kunden gleichermaßen. Dass Berater mit Misstrauen belegt und faire Entlohnung infrage gestellt wird, ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht engagierter Fachleute, sondern auch kontraproduktiv für die dringend nötige Förderung privater Vorsorge. Österreich etwa hat den weltweit niedrigsten Anteil betrieblicher und privater Vorsorge in den Industrieländern – und anstatt gegenzusteuern, wurden steuerliche Anreize abgebaut. Dazu noch ein Skandal, der kaum mediale Beachtung findet: Wegen der miserablen Zahlen am Pensionskonto wird dieses nur auf Anfrage verschickt! Statt Klartext zu sprechen und gegenzusteuern und zur Eigenvorsorge zu animieren, wird beschönigt und verdrängt. Die wenigen politischen Vorreiter, die Eigenvorsorge gefördert haben, sind heute entweder tot oder verurteilt – ein Symbol für das Desinteresse und das Versagen der politischen Klasse in diesem zentralen Bereich. Ich erinnere mich nur an zwei Finanzminister, die merkbar etwas zur Förderung der Eigenvorsorge gemacht haben. Der eine – Androsch – ist vor kurzem leider verstorben, der andere (Grasser) gerade ins Gefängnis gewandert. Fazit Die Altersvorsorge wäre ein Thema, mit dem die EU Bürgernähe beweisen könnte und der Altersarmut entgegenwirken müsste. Stattdessen erleben wir Überregulierung, Praxisferne und Misstrauen gegenüber jenen, die Menschen zu finanzieller Selbstverantwortung beraten. Der Reformstau in Brüssel ist nicht nur technokratisch – er ist zutiefst politisch. [email protected] Rudolf Mittendorfer, Stv. Fachverbandsobmann, Konsumentensprecher & Sprecher des UWF-Unabhängiges Wirtschaftsforum GASTBEITRAG . Rudolf Mittendorfer FOTO: Archiv Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder. Ausgabe Nr. 3/2025 – GELD-MAGAZIN . 13

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