GELD-Magazin, Nr. 1/2024

Österreich wurde bekanntlich besonders hart von der Teuerung getroffen ... In Österreich liegt die Inflation über dem EU-Durchschnitt, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Einerseits gibt es strukturelle Gründe, andererseits ist die Problematik wohl in manchen Bereichen nicht ideal gemanagt worden. Tendenziell sind wir mit einer höheren Dienstleistungsinflation konfrontiert. Der geringere Wettbewerb und Preissetzungsmacht sorgen für Teuerung auf der Angebotsseite und Überersparnisse unterstützten den Konsum. Zum Management der Politik: Es wurden vor allem nach dem Gießkannenprinzip Unterstützungen über alle Einkommensschichten hinweg ausgeschüttet. Dieses Phänomen der Überförderung sollte man sich einmal kritisch ansehen. Weiters „förderlich“ für die Inflationsentwicklung war die schon seit längerem vergleichsweise generöse Lohnpolitik hierzulande – nach Steilvorlagen des staatlichen Sektors. 2023 gab es in der Europäischen Union durchschnittlich gesehen Lohnerhöhungen von 4,0 bis 4,5 Prozent; in Österreich war es ein Plus von sieben bis acht Prozent. Für 2024 erwarte ich eine ähnliche Differenz. Wie steht es ansonsten um die heimische Volkswirtschaft? 2022 sahen wir in Österreich ein sehr schönes Wirtschaftswachstum nahe bei fünf Prozent, das deutlich über dem EU-Durchschnitt lag. Mittlerweile ist das wirtschaftliche Umfeld in Österreich aber schwieriger geworden, wir fahren sozusagen mit angezogener Handbremse. Verantwortlich ist dafür auch die schwache Entwicklung in Deutschland, was die gesamte Eurozone, aber vor allem Österreich belastet. Und zwar weil wir stark von Exporten abhängig sind und Deutschland unser wichtigster Markt ist. Weiters ist die angesprochene starke Lohndynamik mittelfristig ein Problem für die heimische Wirtschaft. Die Industrie kann zwar höhere Kosten besser durch Digitalisierung, Automatisierung etc. abfedern, in der für Österreich so wichtigen Dienstleistungsbranche ist das natürlich nicht so einfach möglich. Wie entwickeln sich 2024 die Börsen? Die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten sind gut: Denn die Sorgen in den USA nehmen ab, auch in Europa sehen wir Zeichen der Erholung. Aber das Wichtigste ist: Die Zinssenkungen kommen, wenn auch nicht so schnell, wie vom Markt erwartet. Dieser preist bereits sehr aggressiv Zinssenkungen ein. Wir erwarten weiterhin gute Zuflüsse in Anleihen; bei Aktien könnten Rücksetzer tendenziell zu Käufen genützt werden. Denn es sind noch sehr viele Investitionsmittel in kurzfristigen Zinsanlagen, etwa Geldmarktfonds, geparkt. Hier stehen wieder Umschichtungen in Richtung länger laufender Veranlagungen an. Für die Vereinigten Staaten sind wir mittelfristig sehr positiv eingestellt, auch wenn sich die Aktienbewertungen sportlich ausnehmen. Für Europa ist unsere Erwartung vorsichtig positiv. Die Bewertungen sind niedrig, einige internationale Investoren linsen bereits nach Europa. Allerdings: In Wachstumsbereichen wie Künstlicher Intelligenz sind die USA viel besser positioniert. Aus risikoadjustierter Sicht lohnen sich Anleihen aktuell mehr als Aktien, was vor allem für Europa gilt. www.rbinternational.com Gunter Deuber: „Aus risikoadjustierter Sicht lohnen sich Anleihen prinzipiell mehr als Aktien.“ Ausgabe Nr. 1/2024 – GELD-MAGAZIN . 9

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