GELD-Magazin, Oktober 2022

Zivilisation im Chaos Das Wetter scheint immer extremer zu werden, ist das die neue Normalität? Was wir jetzt sehen, ist der harmlose Zwischenstand einer Entwicklung hin zu immer neuen Extremen. „Das hat es noch nie gegeben“ wird sozusagen die neue Normalität, solange wir weiter CO2 in die Luft blasen. Was jetzt bei 1,2 Grad globaler Erhitzung passiert, ist also nur ein Vorgeschmack auf das, was uns bei zwei oder drei Grad erwartet. Drei Grad mehr global, fünf bis sechs mehr in Österreich, darauf bewegen wir uns nach wie vor zu. Wenn wir das nicht rasch korrigieren, dann würde unsere Zivilisation im Chaos versinken. Könnte uns auch unser subjektiver Eindruck täuschen, und extreme Hitze etc. sind über sehr lange Zeiträume gesehen nichts Außergewöhnliches? Ja, unser subjektiver Eindruck täuscht uns, aber leider genau umgekehrt. Wir gewöhnen uns an neue Wetterextreme sehr rasch und wenn ein Sommer mal kühler ausfällt als mittlerweile üblich, dann fragen sich viele: Wo ist die Klimakrise? Tragisch ist, dass wir diese deshalb noch viele Jahre weiter eskalieren lassen und uns irgendwann nach dem sehr heißen Sommer 2022 zurücksehnen werden. Welche Argumente sprechen für den vom Menschen verursachten Klimawandel? Würden wir nicht seit Beginn der industriellen Revolution massenhaft Treibhausgase in die Luft blasen, müsste die globale Durchschnittstemperatur leicht abnehmen. Bemerkenswert finde ich, dass wir die beste Wissenschaft aller Zeiten haben, die das alles genau messen und Entwicklungen gut vorhersagen kann. Trotzdem glauben nicht wenige Laien, bei diesen hochkomplexen Fragen mehr Kompetenz zu haben, als zigtausende Klimaforscher zusammengenommen. Diese Anmaßung ist der ganz normale Wahnsinn unserer Zeit. Warum halten einige Menschen die Erderwärmung noch immer für einen Fake? Ist das lediglich eine Informationslücke oder schlicht eine Verdrängung? Es geht dabei um ein Nicht-Wissen-Wollen. Es lebt sich viel leichter, wenn man die Klimakrise verleugnet, verharmlost oder verdrängt. So kann alles bleiben, wie es ist, bis nichts mehr so ist, wie es einmal war. Dass wir so nicht nur Öl und Gas, sondern auch unser aller Zukunft verbrennen, darum kümmern wir uns dann später. All jene, die das an sich heranlassen, haben keine Freude mehr mit großen Autos, Fernreisen oder mit Investitionen in Fossilenergie. Verständlicherweise wollen viele genau das vermeiden. Realitätsverweigerung geht so lange gut, bis die Klima-Realität zurückschlägt. Am Ende gewinnt immer die Physik. Wenn wir unseren „fossilen Lebensstil“ weiter beibehalten, könnte das auch in die gesellschaftliche Katastrophe führen, meint Reinhard Steurer, Experte für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur. HARALD KOLERUS Credits: beigestellt; mbruxelle/stock.adobe.com 8 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2022 INTERVIEW . Reinhard Steurer, BOKU

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