GELD-Magazin, Juli/August 2022

10 . GELD-MAGAIN – Juli/August 2022 Rückgang der Konsumentenstimmung führt. In den USA wurde im Juni ein Allzeittief er- reicht, in der Eurozone war die Stimmung nur während der Staatsschuldenkrise 2012/­ 2013 noch niedriger. „Die Einkaufsmanager­ indizes in den entwickelten Staaten gingen im Juni den dritten Monat in Folge zurück, was auf ein aktuell schwaches reales Wirt- schaftswachstum sowie auf Abwärtsrisiken für das dritte Quartal hindeutet. Besorgnis- erregend ist vor allem der starke Rückgang der Neuaufträge unter die Marke von 50, was auf eine schrumpfende Nachfrage ver- weist“, ergänzt Gerhard Winzer, Chefvolks- wirt bei der Erste Asset Management. Und weiter. „Die Kernfrage ist, ob ein Regime- wechsel von einem Umfeld niedriger Inflati- on zu einem Umfeld mit anhaltend hoher In- flation stattfindet. Der im Vorhinein nicht feststellbare Kipppunkt, ab dem auch die In- flationserwartungen anhaltend ansteigen, rückt mit jedem weiteren Monat hoher Infla- tionsraten näher. Die Unsicherheit über die tatsächliche Natur der Inflationsdynamik ist derzeit groß.“ Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – die Zentralbank der Zentralbanken – warnte dazu in ihrem Jahresbericht vor einer global anhaltend ho- hen Inflation. In dem Bericht heißt es, dass aufgrund der hohen Inflation, des Krieges in der Ukraine und des langsameren Wachs- tums in China Stagflationsrisiken drohen so- wie eine Lohn-Preis-Spirale, die weitere Preiserhöhungen nach sich ziehen würde. John Vail, Chief Global Strategist bei Nikko Asset Management, erwartet, dass das BIP- Wachstum weltweit hinter den bereits nied- rigen Erwartungen zurückbleiben dürfte. „Wir gehen davon aus, dass die Rohstoff- preise weiter leicht ansteigen werden, da die Weltwirtschaft an der Rezession vorbei- schrammt, die die Märkte derzeit einpreisen. Die Zentralbanken dürften eine restriktivere Haltung einnehmen werden als allgemein er- wartet“, so Vail, und weiter: „Im zweiten Halbjahr 2022 erwarten wir für die USA eine Wachstumsrate von 2,1 Prozent und im er- sten Halbjahr 2023 rechnen wir mit 1,3 Pro- zent. Die privaten Investitionen und die Staatsausgaben dürften verhalten bleiben. Das BIP der Eurozone wird weiterhin am stärksten unter dem Ukraine-Krieg leiden und dürfte im zweiten Halbjahr 2022 nur um 0,3 Prozent und im ersten Halbjahr 2023 um 1,0 Prozent wachsen.“ Damoklesschwert Energiemarkt Die Verwerfungen auf den Rohstoffmärkten haben zu stark angestiegenen Rohstoffprei- sen geführt, die sich aktuell auf viele andere Preise überwälzen. Dazu bemerkt Winzer: „Das noch größere Risiko stellen tatsächliche Lieferkürzungen dar. Wegen des weiter eska- lierenden Konflikts zwischen dem Westen und Russland sind die Gaslieferungen nach Europa bereits gekürzt worden. Ein Gaslie- ferstopp würde zu einer starken Kontraktion des Bruttoinlandsproduktes in Europa füh- ren.“ Hier ist nur zu hoffen, dass es nicht so weit kommen wird, denn die Substitution von Gas als Energieträger ist derzeit nicht ausreichend möglich. Mehrere Notfallpläne beinhalten im Extremfall drastische Kür- zungen für energieintensive Produktionen, um die Versorgung der Bevölkerung zu ge- währleisten. Lichtblick am Horizont? Gegen den Mainstream schwimmt Michael Burry, ein US-Hedgefonds-Manager, der be- sonders dadurch bekannt wurde, dass er frühzeitig den Zusammenbruch der Immobi- lienblase in den USA erkannte und mit Shortpositionen Hunderte Millionen Dollar verdiente – was im Streifen „The Big Short“ verfilmt wurde. Er bemerkte zuletzt, dass in den USA die Lagerbestände auf historische Hochs angewachsen seien und erwartet da- raus einen deutlich deflationären Einfluss durch den sogenannten Peitscheneffekt – ein Phänomen im Lieferketten-Management. In den USA erwägen Unternehmen aufgrund der hohen Produktbestände sogar, dass Kun- den, die Produkte umtauschen wollen, diese trotz Geldrückgabe einfach behalten könn­ ten. Burry hält es demnach für möglich, dass die Fed die Zinsanhebungen früher als der- zeit erwartet beenden könnte, was auch der EZB wieder etwas Luft verschaffen würde. „Eine Disinflation wäre das Beste, was der Börse passieren könnte und würde eine kräf- tige Kurserholung auslösen“, so Burry. BRENNPUNKT . Inflation, Zinsen und Rezession „Die Einkaufsmanager­ indizes gingen im Juni den dritten Monat in Folge zurück, was auf Abwärtsrisiken für das dritte Quartal hindeutet.“ Gerhard Winzer, Chefvolks­ wirt, Erste Asset Management „Das BIP der Eurozone dürfte im zweiten Halbjahr 2022 um 0,3 Prozent und im ersten Halbjahr 2023 um 1,0 Prozent wachsen.“ John Vail, Chief Global Strategist, Nikko Asset Management In der Eurozone sollte das BIP-Wachstum 2023 etwa 2,4 Prozent und 2024 rund 2,2 Prozent erreichen. In den USA könnte das Wachstum 2023 aufgrund höherer Zinsen mit 2,1 Prozent etwas niedriger ausfallen. BIP-WACHSTUM UND PROGNOSE 5% -5% -10% 10% 0% -15% 15% 2018 2016 2014 2020 2022 USA Eurozone Credits: beigestellt/Archiv

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