GELD-Magazin, Juni 2022

ZUR PERSON Prof. Dr. Christoph Badelt (geboren am 26. Februar 1951 in Wien) zählt zu den bekann- testen und renommiertesten österreichischen Wirtschaftswissenschaftern. 1984 erfolgte seine Habilitation an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Bis zu seiner Ernennung zum Rektor der WU im Jahr 2002 war er dort in mehreren leitenden Positionen tätig. 2015 be- endete er seine Tätigkeit als Rektor. Von September 2016 bis Ende September 2021 war Badelt neben seiner Funktion als Professor an der WU auch Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Seit Mitte Mai 2021 ist er Präsident des Fiskal- rates, seit Anfang April 2022 auch Vorsitzender des Produktivitätsrates. arbeiten aufbauen, zum Beispiel das Wett- bewerbsradar des WIFO, und mit einschlä- gigen Forschungseinrichtungen zusammen- arbeiten. Natürlich suchen wir auch die Ver- bindung zur Praxis; jedenfalls werden wir keine Forschungsergebnisse duplizieren. Das Motto lautet: Den Schnabel für kritische Berichte wetzen! Lassen Sie sich einfach überraschen. Was ist derzeit die größte Herausforde- rung für die Wirtschaft? Die größte Herausforderung ist die immense vorherrschende Unsicherheit. Natürlich steht hier zu Beginn die Geopolitik, also der unab- sehbare Ukraine-Krieg, aber auch die Pande- mie. Von diesen Entwicklungen ist alles an- dere abhängig, also die Inflation, die Ener- giesituation und letztlich die gesamtwirt- schaftliche Lage. Stichwort Inflation: Es gibt verschiedene Vorschläge, die Teuerung abzugelten. Was halten Sie zum Beispiel von einer Senkung der Mehrwertsteuer? Davon möchte ich abraten und die disku- tierte Reduktion der Mehrwert- oder Mine- ralölsteuer sogar als politische Agitation be- zeichnen. Das würde ein Wahnsinnsgeld ko- sten und wäre darüber hinaus gar nicht treffsicher. Außerdem weiß niemand, ob so eine Senkung überhaupt an die Konsu- menten weitergegeben werden würde. Auch könnte es passieren, dass Preise nach einer Senkung nach wenigen Wochen wieder hi- naufgesetzt werden. Wie sollte man alternativ dazu der Bevöl- kerung unter die Arme greifen? Immer- hin steigen die Staatseinnahmen mit der Inflation. Es ist richtig, dass der Staat durch die Infla- tion viel Geld in die Kasse bekommt. Das sollte an die Bevölkerung zurückgegeben werden, wobei aber gezielt jene Gruppen unterstützt werden müssen, die sich am Rande der finanziellen Existenz bewegen. Das erfolgt am besten über Transferlei- stungen, wir wissen bei Arbeitslosen und Beziehern von Mindestsicherung ja sehr gut, wer Hilfe benötigt. Bei den Erwerbseinkom- men ist das nicht so einfach, auch hier könnte der Fiskalrat mehr Licht in die Mate- rie bringen. Abschließend ist wichtig: Es könnte zu einer noch schwereren Krise kom- men, das lässt sich aber aufgrund des unab- wägbaren Ukraine-Kriegs nicht abschätzen. Deshalb ist es gar nicht schlecht, wenn der Staat jetzt gewisse finanzielle Reserven hat. www.produktivitaetsrat.at em. o. Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrates Juni 2022 – GELD-MAGAZIN . 17

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