GELD-Magazin, Juni 2022

H öchst unklar: Anders kann man den Status quo im Ukraine-Krieg nicht bezeichnen. Greifbare Lö- sungen sind noch nicht in Sicht. Parallel dazu entwickelt sich die Situation am Ener- giemarkt unübersichtlich und unsicher. Klar ist, dass die Preise hoch sind und wohl auch bleiben werden. Aber kommt nun ein Öl- und Gas-Embargo gegen den Aggressor Russland, oder nicht? Und wenn ja, wann? Total-Ausstieg wahrscheinlich Das GELD-Magazin sprach zum Thema mit Franz Prettenthaler, Director Joanneum Re- search – LIFE. Wobei LIFE als eines der füh- renden Forschungsinstitute für zentrale Fragen rund um den Klimawandel und Kli- marisiken gilt. Laut dem Experten nimmt es Europa mit dem Gas- und Erdölembargo ge- genüber Russland sehr ernst: „Natürlich spielt das auch dem Thema De-Karbonisie- rung in die Hände. Diese wird durch die Uk- raine-Krise beschleunigt in Wirtschaft, In- dustrie und Gesellschaft voranschreiten. Der Total-Ausstieg aus russischem Gas ist somit wahrscheinlich, wird aber nicht ab- rupt vonstattengehen, vor allem Österreich und Deutschland sind stark auf den Roh- stoff angewiesen.“ Aber wann könnte es dann soweit sein? Gas-Stop erst 2027? Der Experte nennt in diesem Zusammen- hang eine aktuelle Studie der Österreichi- schen Energieagentur, die einen Verzicht auf Putins Gas bis 2027 für zu bewerkstelli- gen hält. Prettenthaler bezeichnet das als „sportliches aber realistisches Ziel“. Für Ös- terreich bedeutet das jedenfalls eine hohe Diversifizierung des Energie-Mixes sowie Einsparungen beim Verbrauch: „Auch in Sa- chen Effizienz ist noch viel zu holen, außer- dem müssen wir uns auf weiterhin hohe Gaskosten einstellen. Dadurch werden Al- ternativen, wie zum Beispiel Biomethan, preislich attraktiver.“ Bis 2027 wäre natür- lich noch ein wenig Zeit für den Transfor- mationsprozess vorhanden, was passiert aber, falls Putin plötzlich den Gashahn ab- dreht? Prettenthaler: „Es ist nicht so, dass dann Österreichs Industrie stehenbleibt, von ihr ausgehend würde aber die Gesamt- wirtschaft in eine Rezession fallen. Denken Sie etwa an die zahlreichen Arbeitsplätze, die mit dem Stahlsektor verbunden sind, auch in der Papierindustrie wird viel Gas benötigt.“ Jedenfalls hat Österreich Glück, dass es über relativ große Gasspeicher ver- fügt: „Dadurch könnte die Versorgung, auch der Industrie, bereits jetzt für mehrere Mo- nate aufrechterhalten bleiben. Und jeder Tag, der bis zu einem möglichen Gasembar- BRENNPUNKT . Energiekrise Das Damoklesschwert Österreichs Energiewirtschaft ist stark von russischem Gas abhängig. Auf kurz oder lang sieht es aber so aus, als würden sich die Vertreter eines EU-weiten Embargos durchsetzen. Mit weitreichenden Folgen. HARALD KOLERUS Rund 30 Kilometer nordöstlich von Salzburg befindet sich in Haidach der zweitgrößte Erdgasspeicher Mitteleuropas. Österreich holt diese Reserven jetzt in eigene Hände. Credits: beigestellt; astora.de 12 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022

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