GELD-Magazin, Mai 2022

Zukunft der Hauptversammlungen – Präsenz oder virtuell? In der nun schon dritten Saison der virtuellen Hauptversammlungen von börsenotierten AGs wird diskutiert, in welcher Form das jährliche Highlight-Event für Aktionäre künftig stattfinden soll. Was haben Arbeiterkammer, Aktienforum, Finanzmi- nisterium, Industriellenvereinigung, Richtervereini- gung, Ministerium für Digitalisierung und Wirtschafts- standort, Notariatskammer, Österreichischer Rechts- anwaltskammertag, Richtervereinigung und Wirt- schaftskammer gemeinsam? Vertreter dieser Häuser – und noch weiterer Institutionen – wurden zu einer Arbeitsgruppe zum Thema virtuelle Versammlungen im Gesellschaftsrecht eingeladen. Diese wurde vom Justizministerium einberufen. Was sehr trocken klingt, ist aber durchaus relevant für die Kapital- marktszene. Denn es geht vor allem um die Frage, wie es mit Hauptversammlungen (HV), insbesondere von börsennotierten Aktiengesellschaften, weiterge- hen soll. Denn das Gesellschaftsrechtliche Covid- 19-Gesetz und die dazugehörige Gesellschaftsrecht- liche Covid-19-Verordnung, als „Notgesetzgebung“ für die Abhaltung rein virtueller (Haupt-)Versamm- lungen, läuft Ende Juni 2022 aus. Danach würde au- tomatisch wieder das „normale“ Aktiengesetz mit den Regeln für „normale“ Präsenz-Hauptversamm- lungen, ergänzt um hybride Elemente, gelten. Meinungsspektrum ist geteilt Nach zwei Jahren praktischer Erfahrung mit der Ab- haltung rein virtueller HVs, und jetzt, während der dritten diesbezüglichen Hauptversammlungs-Saison, stellt sich also die Frage: Wie soll es weitergehen, auch in Hinblick auf die postpandemische Zeit? Da gehen die Meinungen noch auseinander. Während vor allem (Privat-)Aktionäre vielfach gerne wieder die gute alte Präsenz-HV zurück hätten, schätzen die AGs inzwischen die Vorzüge der virtuellen Ver- sammlungen, nachdem sich diese aus deren Sicht recht gut bewährt haben. Als Kompromiss wird die hybride HV – und deren Kosten – diskutiert und auch abgehalten (siehe Raiffeisen Bank Internatio- nal), wo also die Anteilseigner entweder physisch oder zugeschaltet teilnehmen und ihre Aktionärs- rechte wahrnehmen können. Es ist Bewegung drin Bis Ende Juni ist nicht mehr viel Zeit, außerdem ha- ben einige börsenotierte heimische Aktiengesellschaf- ten im Juli und danach ihre ordentliche HV ange- setzt. Also rauchen nun die Köpfe zur Formulierung der Rechtslage für die Zeit ab 1. Juli. Das übrigens nicht nur in Österreich. Der Blick etwa auf Deutsch- land zeigt: Auch dort gibt es pandemiebedingte ver- längerte aktienrechtliche Sonderregeln, die übrigens als nicht so aktionärsrechtefreundlich kritisiert wur- den wie die unsrigen. Inzwischen gibt es beim groß- en Nachbarn auch einen Regierungsentwurf für ein neues Gesetz für die hoffentlich pandemiefreie HV- Zukunft. Auch in der Schweiz soll 2023 ein neues Aktienrecht zur Regelung virtueller und hybrider HVs in Kraft treten. Es bleibt spannend ... GASTBEITRAG . Manfred Kainz, Wirtschaftsjournalist Mag. Manfred Kainz Zur Person Mag. Manfred Kainz studierte Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften an der Uni Wien (Diplomarbeit bei Univ. Prof. Alexander Van der Bellen) und in den USA. Berufliche Stationen: Industriellenvereinigung, Europäische Kom- mission in Brüssel, Büro des Vizekanzlers Erhard Busek, Bundesministerium für Wirtschaft, Aktienforum - Österreichischer Verband für Aktien-Emittenten und -Investoren, Börsen-Kurier, Börse Express, FinanzMedienVerlag u.a. FOTO: beigestellt, Philipp Hutter Wir sprechen uns klar für die Übernahme der Möglichkeit der virtuellen Hauptversammlung ins Dauerrecht aus. Aus dem Positionspapier des CIRA (Cercle Investor Relations Austria) zur Zukunft der HV Es wird sich noch weisen, ob virtuelle HVs nach dem 30. Juni angesichts der weitgehenden Öffnungen juristisch überhaupt noch opportun sind. Interessenverband für Anleger (IVA) Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 53

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