GELD-Magazin, Februar 2022

Stehen uns auch wieder einmal höhere Zinsen ins Haus? Geldpolitisch gesehen werden sich die USA schneller restriktiver orientieren als das noch vor rund einem Jahr erwartet worden ist. In Europa wird dieser Prozess in abge- schwächter Form stattfinden. Unser Basis­ szenario besagt, dass wir bis Ende 2023 kei- ne Zinserhöhungen im Euroraum sehen werden. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Wirtschaft heuer und im kommenden Jahr weniger Unterstützung erhalten wird als zuvor. Hierbei denke ich an eine Ab- schwächung bei Instrumenten wie Anlei- henkäufe und der Liquiditätsversorgung des Bankensektors. Ab April könnte der Nachfol- ger von PEPP niedriger ausfallen als erwar- tet (Pandemie-Notfallankaufprogramm, das zeitlich befristete Kaufprogramm der EZB für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner, Anm.). Wobei es gegen Ende des heurigen Jahres so weit sein könnte, dass die Netto-Anleihenkäufe auslaufen. Natür- lich unter der Voraussetzung, dass keine neuen, schwerwiegenden Mutationen des Corona-Virus auftauchen und sich die wirt- schaftlichen Basisvoraussetzungen nicht grundsätzlich verändern. In Österreich treten heuer Teile der groß angekündigten Steuerreform in Kraft. Was halten Sie von den Neuerungen? Es handelt sich um die Fortsetzung der Ent- lastung mittlerer und kleinerer Einkommen, was aus ökonomischem Blickwinkel in jeder Hinsicht zu begrüßen ist. Natürlich kann man immer über Detailfragen diskutieren, grundsätzlich tut die Steuerreform dem Standort Österreich und der heimischen Konjunktur aber gut. Wir gehen davon aus, dass sich das BIP bis 2024 dauerhaft um jährlich 0,5 bis 0,75 Prozent erhöhen wird. Wie bewerten Sie den Klimaaspekt der Reform? Prinzipiell benötigen wir in Österreich – aber auch global – eine höhere Bepreisung von CO 2 -Emissionen. Das bedeutet entwe- der Konsumeinschränkungen oder deutlich steigende Preise. Noch spielt die Kompensa- tion der Bepreisung keine sehr große Rolle, das wird sich aber meiner Meinung nach in den nächsten rund fünf Jahren ändern, nicht nur in Österreich sondern auch auf in- ternationaler Ebene. Welche Folgen könnte das haben? Das birgt durchaus auch sozialen Spreng- stoff. Insgesamt werden wir einen realen Einkommensverlust für alle sehen, aber die Bevölkerung wird unterschiedlich stark be- troffen sein. Vor allem leiden einkommens- schwächere Schichten unter Teuerungen bei Wohnen, Heizen, Transport, Lebensmitteln etc. Es handelt sich also um ein starkes sozi- alpolitisches Thema, das eine gewisse Um- verteilung nach unten umfasst. Denken Sie etwa an die Globalisierung, wo in vielen Ländern den Verlierern nicht ausreichend geholfen wurde. Ein bezeichnendes Beispiel sind die USA. In Österreich befinden wir uns noch in der Komfortzone, aber was pas- siert, wenn steigende Preise im Kampf ge- gen den Klimawandel einmal wirklich weh- tun werden? In der EU sollte man nicht zu stark und zu schnell auf die Bremse steigen. Februar 2022 – GELD-MAGAZIN . 9

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