GELD-Magazin, Dez. 2021 / Jän. 2022

Weltwirtschaft: Gegenwind nimmt zu Ausblick. „Die europäische Wirtschaft leidet unter dem Preisanstieg von Energieimporten und ihrer Abhängigkeit von den globalen Lieferketten, die wegen der Pandemie immer noch gestört sind. Aber im Gegensatz zu den USA wird sie von einem positiven Haushaltsimpuls durch den NextGeneration-EU-Aufbauplan profitieren“, sagt Gergely Majoros, Mitglied des Investment Committee von Carmi- gnac. Der Experte erwartet in seinem globalen Ausblick allerdings zunehmenden Gegenwind: „Im kommenden Jahr dürften vier ungünstige Faktoren die Verlangsamung der Weltkonjunktur weiter prägen: Eine fünfte Covid-Wel- le, ein Preisschock bei Lebensmitteln und Energie, die Verlangsamung im chine- sischen Wohnimmobiliensektor sowie die Straffung der Geldpolitik in den Schwel- lenländern und den angelsächsischen Ländern.“ Angesichts dieses Szenarios legt der Investmentprofi den Schwerpunkt im Aktienbereich auf Unternehmen mit langfristigem Wachstum und guter Visibilität, die nicht übermäßig vom Konjunk- turzyklus abhängen, und die in der Lage sind, kostenbedingte Preissteigerungen weiterzugeben und gleichzeitig ihre Geschäftstätigkeit erhalten können. Aus sei- ner Sicht bestehen in den Schwellenländern zurzeit „Wert-Nischen“, und dies so- wohl auf den Anleihen- als auch auf den Aktienmärkten. Pflege: Ein Investment wert? Genau abwägen. Die Pandemie hat vielen börsennotierten Pflegeheimbetrei- bern zugesetzt und ihre Aktienkurse mit Einbrüchen von mehr als 40 Prozent auf Talfahrt geschickt. Inzwischen haben sich die operativen Ergebnisse der Un- ternehmen zwar weitgehend erholt, die Aktienkurse liegen aber immer noch deutlich unter den Vorkrisenniveaus. Das Verhältnis des Unternehmenswerts zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen einiger Unternehmen hat auf Fünf-Jahressicht sogar neue Tiefststände erreicht. Die Experten des Vermö- gensverwalters Bantleon meinen: „Das macht einen Einstieg attraktiv. Ein In- vestment lohnt sich aber auch langfristig, weil soziale Infrastruktur, zu denen die Pflegebranche zählt, vom demografischen Wandel anhaltenden Rücken- wind erhält.“ Jedoch dürfte der Trend zur Effizienzsteigerung auch bei sozialer Infrastruktur anhalten, was aus Nachhaltigkeitssicht in fragwürdiger Unterneh- mensführung resultieren kann. Wer ein solches Investment ins Auge fasst, sollte also genau abwägen und recherchieren, ob soziale Qualitätsstandards gegeben sind. Denn Profite auf Kosten der Pensionisten dürfen nicht ins Portfolio. Armut: 30 Dollar pro Tag Working Poor. In jedem Land gibt es arme Men- schen, die in schlechten Wohnungen leben und sich und ihre Familie nur schwer mit grundlegenden Gü- tern und Dienstleistungen wie Heizung, Transport und gesundem Essen versorgen können. Die Defini- tion von Armut ist von Land zu Land unterschied- lich, aber in Staaten mit durchschnittlich hohem Einkommen liegt die Armutsgrenze bei etwa 30 Dol- lar pro Tag. Laut der Plattform „Our World in Data“ lebt in den reichsten Ländern der Welt ein erheb- licher Teil der Menschen – zwischen jeder zehnten und fünften Person – unterhalb dieser Armutsgren- ze. Werfen wir angesichts dieser Zahlen einen Blick zurück: Vor zwei Jahrhunderten war die Mehrheit der Weltbevölkerung extrem arm. Damals glaubte man gemeinhin, dass weit verbreitete Armut unver- meidlich sei. „Dies stellte sich jedoch als falsch he- raus. Die Welt hat enorme Fortschritte im Kampf ge- gen extreme Armut gemacht. Aber auch nach zwei Jahrhunderten der Verbesserungen ist extreme Ar- mut immer noch die Realität für jeden zehnten Men- schen auf der Welt“, so die Experten von „Our World in Data“. Gut gerüstet. „Während die Finanzmärkte durch das Auf- tauchen der Covid-Variante Omikron verunsichert sind, sollten Anleger nicht in Pa- nik geraten. Die Volkswirt- schaften sind besser gerü- stet, um mit einer neuen Welle von Infektionen umzu- gehen, insbesondere in den Industrieländern“, beruhigt Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Manage- ment. Der Vermögensverwalter hat sein Engagement in einigen defensiven Sektoren – wie Versorger und Basiskonsumgüter – reduziert und ist optimistischer geworden, was die Aussichten für zyklische Konsum- güter, Finanz- und Immobilientitel angeht. Risikorei- chere Anlageklassen werden zwar auf oder nahe an Allzeithochs gehandelt, es gibt aber gute Gründe da- für: Die Verbraucher- und Industrienachfrage ist ro- bust, Lieferengpässe dürften sich abschwächen und die Unternehmensgewinne bleiben gesund. Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Management Omikron: Keine Panik Gergely Majoros, Anlageexperte bei Carmignac Jänner 2022 – GELD-MAGAZIN . 7

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