GELD-Magazin, November 2021

„In Taiwan herrscht die Meinung vor, dass es früher oder später zu einem Krieg mit China kommen wird.“ China-Expertin Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Uni Wien, Professorin in Ruhestand) Credit: beigestellt 12 . GELD-MAGAZIN – November 2021 von Taiwan entfernt. Auch für eine „schnel- le Eingreiftruppe“ ein weiter Weg ... Krieg bis 2035? Fassen wir kurz zusammen: Es wäre jetzt natürlich vermessen, eine militärische Aus- einandersetzung zu prognostizieren, auszu- schließen ist sie aber nicht. Die Situation sollte genau im Auge behalten werden. Ei- nen offiziellen Zeitplan zur Eroberung Tai- wans gibt es natürlich nicht, 2049 aller- dings feiert die Volksrepublik China ihr 100-jähriges Bestehen, spätestens bis dahin sollte das „Problem“ aus Sicht Pekings ge- löst sein. Noch öfter wird aber ein früheres Datum genannt: 2035. Dann wäre Xi Jin- ping 82 Jahre alt und würde seine Funkti- onen zurücklegen. Denn Chinas legendärer Übervater Mao Tse-tung starb mit 82, und es wäre ein absoluter Frevel, länger an der Macht festzuhalten als der „Große Vorsit- zende.“ Unvorstellbar, dass Xi nicht alles nur Erdenkliche daransetzt, um bis dahin die „Wiedervereinigung“ unter Dach und Fach zu bringen. Hat China Unterwasserdrohnen? Heikel ist auch folgendes Zahlenspiel: Bis- her sind US-Berechnungen davon ausgegan- gen, dass Pekings noch rund fünf Jahre be- nötigt, um militärisch für einen Taiwan- Feldzug gerüstet zu sein. Das wurde auch mit mangelnden Unterwasser-Streitkräften Chinas begründet. Allerdings wurde im Ok- tober ein Atom-U-Boot der US-Marine im Indopazifik von einem „unbekannten Ob- jekt“ gerammt und schwer beschädigt. Auf der „USS Connecticut“ gab es elf Verletzte, die Heimreise musste über Wasser angetre- ten werden. Militär-Insider hegen den starken Verdacht, dass das hochmoderne U- Boot von einer unbemannten chinesischen Unterwasserdrohne außer Gefecht gesetzt worden ist. Stimmt das, wäre die Botschaft klar: Nämlich, dass China in der Lage wäre, U-Boote aufzuspüren und zu torpedieren. Womöglich ist Pekings Militärmacht also viel weiter fortgeschritten als vom Pentagon vermutet, der Fünf-Jahres-Horizont für ein „kriegs-bereites“ China könnte sich somit verkürzen. In diesen Zusammenhang passt, dass Taiwans Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng davon gesprochen hat, dass Chi- na bis 2025 in der Lage sein dürfte, mit mi- nimalen Verlusten und Kosten eine Invasion der Insel wortwörtlich in Angriff zu neh- men. Auch ist die Entwicklung einer chine- sischen Fünffach-Schallrakete mehr als ab- schreckend: Sie könnte mit Atomspreng- köpfen bestückt sogar die Westküste der USA erreichen ... Made in China Alles in allem erscheint die Gemengelage somit durchaus explosiv. Abschließend sei erwähnt, dass Taiwan der global wichtigste Halbleiterproduzent ist. Bereits jetzt haben die Lieferengpässe bei Microchips schmerz- haft unter Beweis gestellt, wie abhängig die Welt von Asien geworden ist. Nicht auszu- malen, wenn ein bewaffneter Konflikt die Produktion abschneiden würde. Und nach einer Okkupation würde diese Schlüsselin- dustrie in die Hände Chinas fallen. Sprich: Taiwan ist kein Randproblem. BRENNPUNKT . Taiwan-Konflikt Casus Belli In der Woche um den 1. Oktober, dem Nationalfeiertag des kommunistischen China, sind heuer 159 Flugzeuge in den Luftraum Taiwans eingedrun- gen. China-Expertin Susanne Weige- lin-Schwiedrzik sieht dahinter eine gezielte Zermürbungstaktik, mögli- cherweise soll so auch ein „Casus Belli“ provoziert werden. Als Casus Belli (Kriegsfall) wird eine Handlung bezeichnet, die in einer zumeist be- reits angespannten Konstellation einen Waffengang auslöst. Die Expertin: „Die ständige Verletzung des Luftraums birgt natürlich eine große Gefahr für Zwischenfälle. Im 20. Jahrhundert sind in Ostasien fast alle Kriege (Aus- nahme Koreakrieg) aus solchen un- übersichtlichen Situationen heraus entstanden. Zwischen China und Japan hat jeder Krieg so begonnen. Ich meine, dass China einen Waffen- gang mit Taiwan ohne einen solchen Zwischenfall nicht wagen würde. Es möchte keinesfalls dastehen als das Land, welches den Krieg eröffnet.“ Ein bekannter Casus Belli ist der Tonkin-Zwischenfall (2. und 4. August 1964) vor der Küste Nordvietnams. Da- bei sollen nordvietnamesische Schnell- boote zwei US-Kriegsschiffe be- schossen haben. Dies führte zum Eintritt der Vereinigten Staaten in den Vietnam-Krieg. Mittlerweile gilt es als erwiesen, dass die US-Regierung die undurchsichtigen Vorfälle durch be- wusste Falschdarstellung als Anlass für den Kriegseintritt auffrisierte. China verfügt mit über zwei Millionen Soldaten über die Armee mit der bei weitem stärksten Manpower. Die stärksten Streitkräfte derWelt Quelle: Global Firepower Länder mit der größten Armee weltweit in 1.000 Personen Indien 1.445 USA 1.400 Nordkorea 1.300 Russland 1.014 Pakistan 654 Südkorea 600 Iran 525 China 2.185

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