GELD-Magazin, November 2021

D ie Wiedervereinigung mit Taiwan muss erfüllt werden“, sagt kein geringerer als Chinas mächtiger Präsident Xi Jinping. Das solle zwar auf friedlichem Wege erreicht werden, Xi warnte aber, dass das chinesische Volk eine „glorreiche Tradition“ habe, sich Separatis- mus zu widersetzen. Zur Untermauerung verletzen immer wieder gleich dutzende Mi- litärflugzeuge den Luftraum Taiwans: Xi lässt also die Muskeln spielen - die Nervosi- tät steigt. „Patriotisches Anliegen“ Aber ist eine militärische Eskalation tat- sächlich vorstellbar? Die renommierte Chi- na-Expertin Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Uni Wien, Professorin im Ruhestand) er- läutert im Gespräch mit dem GELD-Maga- zin die komplexe Situation: „Peking hat als Teil des nationalistischen Programms über Jahrzehnte hinweg mit Nachdruck vermit- telt, dass es nur ein China gibt. Die Bevölke- rung wurde auf dieses patriotische Anlie- gen ausgerichtet. Die Staatsführung darf die Wiedervereinigung gar nicht aufgeben, sonst wäre die Bevölkerung höchst verwirrt und enttäuscht.“ Also, selbst wenn die chi- nesische Regierung es wollte (was nicht der Fall ist), könnte sie sich keinen Rückzieher erlauben. Wobei noch ein anderer Faktor den Druck erhöht: Man darf nicht verges- sen, dass China in großen fiskalischen und wirtschaftlichen Problemen steckt. Die Ar- beitslosigkeit ist hoch, die Staatsführung greift in die Privatwirtschaft ein usw. Wei- gelin-Schwiedrzik: „Es wäre denkbar, dass China in einem militärischen Konflikt mit Taiwan die eigene Bevölkerung von den in- ternen Schwierigkeiten abzulenken ver- sucht. Ein Muster, dass wir schon oft in der Weltgeschichte beobachten mussten und das erstaunlicherweise noch immer funktio- niert.“ Keine Frohbotschaft für Pazifisten hat auch Brahma Chellaney parat, Professor für Strategische Studien am Center for Poli- cy Research in New Delhi. Er kommentiert auf der Plattform project-syndicate.org : „Chinas Muskelspiel sendet eine klare Bot- schaft: Es ist ernst mit der Einverleibung der Insel – und der ,Wiedervereinigung‘ Chinas – möglicherweise mit Gewalt ...“ Früher oder später ... Dazu passt die Einschätzung von Weigelin- Schwiedrzik ins unschöne Bild: „Wenn man mit Taiwanesen spricht, herrscht die klare Meinung vor, dass es früher oder später zu einem Krieg kommen wird. Fragt man, wie dieser Konflikt ausgehen könnte, erhält man hingegen keine Antwort. In Taiwan ist man sich bewusst, dass ein solcher Konflikt Weltkriegsmaßstäbe einnehmen könnte, deshalb äußert man sich sehr zurückhal- tend.“ Aus ihren Gesprächen mit Militär-Ex- perten und Taiwan-Kennern hat Weigelin- Schwiedrzik erfahren, dass sich Taiwan laut diesen Einschätzungen gegen einen mas- Kriegsgefahr steigt Der Konflikt um Taiwan spitzt sich zu: China streckt bedrohlich seine Fühler nach der „abtrünnigen Provinz“ aus. Auf der anderen Seite stehen die USA als Schutzmacht des Inselstaates. Ein Krieg scheint nicht ausgeschlossen. HARALD KOLERUS Credits: Pijitra/stock.adobe.com; Gage Skidmore, Wikipedia, CC2-Lizenz; Palacio do Planalto Taiwan in Zahlen Bevölkerung: 23,57 Millionen Fläche: 36.179 km² BIP: Nominal: 589 Mrd. USD Kaufkraftparität: 1252 Mrd. USD BIP/Einwohner (nominal): 25.000 USD BIP/Einwohner (Kaufkraftparität): 53.000 USD BIP-Wachstum 2021: 4,75 % (Prognose) Militär: Rund 170.000 Mann aktive Truppenstärke „Die Taiwan-Frage ist eine rein innere Angelegenheit Chinas, die keine Einmischung von außen zulässt.“ Xi Jinping, Staatspräsident Chinas „ BRENNPUNKT . Taiwan-Konflikt 10 . GELD-MAGAZIN – November 2021

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