GELD-Magazin, Juli/August 2021

Ein neuer Pragmatismus führt immer häufiger zur Kooperation zwischen InsurTechs und etablierten Versicherern. weile auch die Bereitschaft, von den Insur- Techs zu lernen und ihre eigenen Schwä- chen zu erkennen. „Die Schwäche der groß- en Unternehmen gerade in Umbruchszeiten ist, dass diese ein funktionierendes Ge- schäftsmodell haben und Abweichungen davon werden an den potenziellen Risiken und nicht an deren Chancen gemessen“, gibt Elisabeth Stadler, CEO der VIG zu be- denken. „Was man von den FinTechs jeden- falls lernen kann, ist absolute Kundenorien- tierung, unheimliche Schnelligkeit und die Neugestaltung der Arbeitswelten“, so Walter Mösenbacher, Ambassador des FinTechcir- cle London und langjähriger Experte in der Raiffeisenbanken-Gruppe während einer Podiumsdiskussion in Wien. Die Neugestal- tung unserer Lebenswelten wird vor allem durch die Digitalisierung vorangetrieben. Der Wefox-Gründer Julian Teicke, dessen Unternehmen mittlerweile nach einer neu- en Finanzierungsrunde mit drei Milliarden US-Dollar bewertet wird, und damit welt- weit zu einem der größten InsurTechs auf- gestiegen ist, erklärt gegenüber der Schwei- zer Handelszeitung: „Herkömmliche Versi- cherer haben im Durchschnitt einen Auto- matisierungsgrad von 10 bis 15 Prozent. Wir sind heute schon bei 80 Prozent und wollen auf 90 Prozent.“ Die verschiedenen Wege Die Ansätze zur Zusammenarbeit sind so unterschiedlich wie die einzelnen Beteili- gten. Manche Versicherer kooperieren le- diglich mit Start-ups, ohne sich mit Kapital zu beteiligen, andere investieren in beste- hende InsurTechs oder bauen eigene Digi- taltöchter auf. Letzteres hat den Vorteil, dass sich die Versicherer im Digitalgeschäft ausprobieren können, ohne ihre Kernmarke zu beschädigen. Dies kann von großem Nut- zen sein, wenn sich der Beginn der Ge- schäftstätigkeit als holprig erweist, wie das Beispiel des Kfz-Digitalversicherers nexible von Ergo zeigt, der seit 2019 auch in Öster- reich aktiv ist. Auf der Bewertungsplattform trustpilot.at liegt die durchschnittliche Kun- denbewertung bei 2,8 von fünf Sternen, wo- bei die ungenügenden Bewertungen rund die Hälfte der über 1.800 Bewertungen aus- machen. „Wir greifen jede einzelne Rück- meldung auf, um unsere Prozesse zu ver- bessern“, erklärt Jonas Boltz, nexible-Ge- schäftsführer. Auch die Uniqa, die grund- sätzlich eine Ein-Marken-Strategie fährt, riskiert bei ihrem unternehmenseigenen Start-up cherrisk aus Ungarn keine Marken- beschädigung. Über cherrisk können heute in Ungarn und Deutschland Versicherungen aus den Bereichen Haushalt, Unfall und Rei- se zu 100 Prozent digital und vollautoma- tisch abgeschlossen werden. Ab dem zwei- ten Halbjahr 2021 will die Uniqa in Deutschland via cherrisk auch Kfz-Versiche- rungen anbieten. Ein ähnliches Konzept treibt auch die VIG mit ihrem digitalen Start-up Beesafe voran, das sie gemeinsam mit der polnischen Tochtergesellschaft Compensa lancierte, mit vollständig digi- talem Vertrieb und Schadensregulierung für den polnischen Markt. Seit Oktober 2020 läuft die Testphase in Polen, die sich derzeit auf Onlinemarketing konzentriert. Bei erfolgreichem Verlauf des Pilotprojekts ist eine Ausdehnung auf andere Länder, vor allem in der CEE-Region, geplant. Lohnendes Investment Die Branchenriesen in der Versicherungs- landschaft, die ausreichend finanzielle Mit- tel zur Verfügung haben, beteiligen sich be- reits seit Längerem an diversen Start-ups. Sie verfügen häufig über eine eigene Ven- ture-Gesellschaft, investieren international und mit breitem Fokus. So ist der Versiche- rungsriese Allianz über seinem digitalen Arm Allianz X am inzwischen börsenno- tierten US-Digitalversicherer Lemonade be- teiligt, zudem an Control Expert, einer Plattform für KI-gestützte Schadensab- Juli/August 2021 – GELD-MAGAZIN . 79

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