GELD-Magazin, Juni 2021

Kritik. Kann man die Energie überhaupt wenden? Und wie bewerkstelligt man das, ohne Risiken auszublenden und den brei- ter gesteckten Umweltschutz zugunsten des Klimaschutzes auf der Strecke zu las- sen? Diese Frage stellt der Autor und Di- plom-Ingenieur für Kraftwerksanlagen, Frank Henning, in diesem Buch. Er kon- zentriert sich dabei auf das deutsche Pro- jekt der Energiewende, das seiner Meinung nach mit viel Eifer, aber ohne wissen- schaftlich fundierte und verständliche Er- klärungen betrieben wird. Ein Hauptpunkt seiner Kritik: Sachliche und offene Dis- kurse würden kaum stattfinden. „Diskussi- onen sinken auf das Niveau der Empö- rungskommunikation herab. Eine stets an- gemahnte Korrektheit auch gegenüber den nationalen Energiewenden verstellt den klaren Blick“, ist hier zu lesen. Somit wür- de eine „Schweigespirale“ entstehen und die objektive Diskussion Anfeindungen und Hass-Postings weichen. Ob somit, wie vom Autor behauptet, tatsächlich ein „Neo- rassimus gegen alte weiße Männer“ (Ex- Politiker und ehemalige Manager, die sich aufgrund von Positionierung und Alter frei äußern können) entsteht, sei dahingestellt und muss von jedem Leser selbst beant- wortet werden. Henning verschafft jeden- falls auch einen Überblick zu den tech- nischen Voraussetzungen der Energiewen- de: Wie funktioniert ein Stromnetz? Wie ist es entstanden und welche globalen Ent- wicklungen gibt es? Und er hinterfragt, in- wiefern diese technischen Fakten im politi- schen Diskurs berücksichtigt werden. Neuanfang. Auch dieses Buch beschäftigt sich mit dem Klimawandel und kann bei- nahe schon als moderner Klassiker be- zeichnet werden (erstmals 2019 erschie- nen). Autor Jeremy Rifkin ist Zukunftsfor- scher und tritt sozusagen als ökonomischer und ökologischer Botschafter der weltwei- ten Energiewende auf. Seine These: Die Welt sitzt angesichts alternativer Technolo- gien auf einer 100-Billionen-Dollar-Blase aus Investitionen in fossile Brennstoffe. Be- reits 2028 könnte diese Blase platzen. Das mag vielen als übertrieben erscheinen, aber Anlass zum Nachdenken und einen Ansporn in Sachen Klimaschutz vermittelt Rifkin allemal. Tatsächlich hat sich zuletzt sehr viel in die richtige Richtung bewegt: Kaum ein bedeutender politischer Ent- scheidungsträger zweifelt in der Post- Trump-Ära an der Beeinflussung der Er- derwärmung durch Menschenhand. Die Dekarbonisierung wird vorangetrieben (auch in den Depots von großen institutio- nellen Investoren), Neue Energien werden forciert und gleichzeitig immer konkur- renzfähiger. Rifkin schreibt in diesem Zu- sammenhang auch von einer „Mobilisie- rung der Gesellschaft“ und der neuen Macht der Pensionsfonds als „erwa- chendem Riesen“. Im Abschlusskapitel meint er: „Zu sehen, wie der Green New Deal nicht nur in den USA und Europa an Boden gewinnt, gibt durchaus Anlass zur Hoffnung. (...) Heute sieht die Menschheit sich entweder inmitten eines potenziellen Endspiels oder, wie wir doch hoffen wol- len, inmitten eines Neuanfangs.“ Geld ohne Arbeit? Wild umstritten ist die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen: Können wir uns das überhaupt leisten? Werden Menschen dann überhaupt noch geregelter Arbeit nachgehen? So lauten einige der berech- tigten Fragen. Interessant ist, dass nicht nur „Träumer und Fantasten“ ein solches Grundeinkommen befürworten (wie das Kritiker oft behaupten), sondern auch er- folgreiche Wirtschaftstreibende. Götz W. Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, ist wohl der bekannteste Vertreter die- ser Forderung. Sein bereits 2007 erschie- nenes Buch „Einkommen für alle“ ist ein Vorreiter der Fachliteratur zum Thema. In der 2018 überarbeiteten, aktualisierten und erweiterten Neuausgabe begründet Werner, warum die Zeit für die Einführung des Grundeinkommens reif sei. Einige sei- ner Argumente: Dem „Rationalisierungs- Tsunami“ durch die Industrie 4.0 wird ver- mutlich jede dritte Stelle zum Opfer fallen. Auch viele geistige Arbeiten werden Com- puter künftig schneller und präziser erledi- gen als wir. Der Autor spricht sich dabei für eine Ausgabens- statt einer Einkommens- steuer aus, also der ausschließlichen Be- steuerung von Konsum. Bildlich gespro- chen soll der Apfel mit einer Steuer belegt werden und nicht dessen Anbau. Ein Bei- spiel für die mitunter plastische Sprache Werners, die das Buch nicht nur informa- tiv, sondern auch unterhaltsam macht. Na- türlich werden hier nicht alle Fragen end- gültig beantwortet, die Diskussion zum Grundeinkommen geht aber weit. Der globale Green New Deal Jeremy Rifkin. Verlag: Campus. 319 Seiten. ISBN:978-3593-51135-1 Klimadämmerung Frank Henning. Verlag: FBV. 312 Seiten. ISBN: 978-3-95972-374-9 Einkommen für alle Götz W. Werner. Verlag: KiWi. 294 Seiten. ISBN: 978-3-99013-078-0 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt 82 . GELD-MAGAZIN – Juni 2021

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