GELD-Magazin, Mai 2021

Der durchschnittliche Zuwachs bei Löhnen und Gehältern war in den vergangenen 20 Jahren geringer als die Preisentwicklung bei Immobilien. Die zunehmende Differenz entwickelte sich besonders seit der Finanzkrise 2007/2008, seit der die Kredite günstiger geworden sind. Ein anderes Preisbarometer ist der RE/MAX ImmoSpiegel Eigentumswohnungen 2020 – eine Analyse aller Verbücherungen. Er zeigt bundesweit einen Anstieg des Gesamtwoh- nungspreises um 4,3 Prozent auf durch- schnittlich 220.930 Euro und des Quadrat- meterpreises um 4,8 Prozent auf 3479 Euro. Darüber hinaus stiegen bundesweit 2020 die Preise für Einfamilienhäuser im Ver- kaufswert um 10,1 Prozent, verglichen mit +5,3 Prozent p.a. im Schnitt der letzten zehn Jahre. Doch wo kommt diese starke Nachfrage her? Dazu Bernhard Reikersdor- fer, Geschäftsführer von RE/MAX Austria: „Otto-Normalverbraucher hat in manchen Gegenden schon seine Kaufkraftgrenzen aufgrund seines Einkommens erreicht. Aber gleichzeitig ist eine Erbengeneration er- kennbar, die kaufen und verkaufen kann, ohne sich nur an ihrem Einkommen orien- tieren zu müssen“. Ein Nachfrageaspekt sind auch Anlagewohnungen zur Pensions- vorsorge. Sandra Bauernfeind, geschäfts- führende Gesellschafterin der EHL Wohnen GmbH, merkt an: „Die Nachfrage ist zu einem großen Teil durch Investoren getrie- ben – Stichwort Negativzinsen. Aber auch Privatpersonen investieren derzeit ausge- sprochen gern in Wohnimmobilien.“ Wo gibt es noch günstigWohnraum zu kaufen? Eine häufige Aussage von Immoexperten ist, dass es am aktuellen Wohnungsmarkt in Österreich kaum noch „Schnäppchen“ gibt, zumal selbst die Teilnahme an gerichtlichen Zwangsversteigerungen bereits weit ver- breitet ist. Bezüglich Angebotsfindung und Verkauf interessant erscheint „DAVE“, das neue digitale Angebotsverfahren von RE/ MAX, das laut Reikersdorfer dazu dient, in einem fairen Verfahren für alle Interessier- ten gleiche Bedingungen zu schaffen. Dazu gibt es zwei Varianten. Im „geschlossenen DAVE“ kann jeder Interessent nur ein Ange- bot online abgeben, im offenen DAVE hinge- gen können Interessenten beliebig oft wei- tersteigern. Das aktuell höchste Angebot ist zu jeder Zeit für alle einsehbar. Eine niedrigere Kostenbelastung zum Start ermöglichen Baurechte (Pachtgründe) statt Grundstückskauf. Auf die Gesamtlaufzeit von 99 Jahren sind aber die Kosten nicht ge- ringer, da für Grundstückseigentümer trotz- dem eine entsprechende laufende Rendite wichtig ist. Knackpunkt ist die Laufzeit des Pachtvertrages und was mit Ablauf verein- bart ist: ein Kauf, eine Verlängerung oder eine Rücknahme. Danach richtet sich auch die Bewertung der Pachthöhe. Wie geht es weiter? Die Mietrenditen von Anlegerwohnungen in Ballungszentren bewegen sich in Österreich häufig nur noch zwischen 2,0 und 3,5 Pro- zent. Dies macht die Immobilienpreise mög- licherweise sensibler gegen steigende Kre- ditzinsen. Doch Reikersdorfer relativiert: „Solange Menschen Immobilien kaufen, um selbst darin zu wohnen, ist keine Blase in Sicht. Selbst, wenn sie auf Kredit kaufen und die Kreditraten langfristig fixiert und leistbar sind, ist eine Blase unwahrschein- lich. Die heimischen Eigenmittelerforder- nisse sind eine sehr gute Absicherung gegen Blasenbildung.“ Optimistisch ist auch Bau- ernfeind: „Nach unseren Analysen erwarten wir in den nächsten Jahren wieder sinkende Fertigstellungszahlen. Damit wird sich das Angebot am Markt reduzieren und der Markt wieder enger werden. Damit werden die Mieten wieder zu steigen beginnen und die Steigerung der Eigentumspreise wird weitergehen.“ Wohnimmopreise ziehen Löhnen und Gehältern davon Quelle: Statistik Austria, OeNB (Wohnimmobilienpreisindex) 243,2 208,0 142,3 250 200 150 100 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Wohnimmobilien Österreich Nettoeinkommen Wohnimmobilien Wien „Wien erlebt in den Jahren 2020 und 2021 mit ca. 19.000 Wohnungen einen absoluten Boom in der Neubauproduktion der Wohnungen.“ Sandra Bauernfeind, geschäftsführende Gesellschafterin der EHL Wohnen GmbH „Solange Menschen Immobilien kaufen, um selbst darin zu wohnen, ist keine Blase in Sicht.“ Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer RE/MAX Austria Mai 2021 – GELD-MAGAZIN . 59

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