GELD-Magazin, Mai 2021

Europa und China als Gewinner Da auch in den USA viele Aktivitäten der in- ländischen Wertschöpfung, wie etwa Re- staurantbesuche, nach wie vor einge- schränkt sind, wird erwartet, dass ein Groß- teil des zusätzlich verfügbaren Geldes der US-Haushalte in Konsumgüter fließen wird, die außerhalb der USA hergestellt werden. Der Versicherer Allianz schätzt, dass rund 360 Milliarden der privaten Haushaltshilfen für importierte Waren ausgegeben werden. China dürfte mit etwa 60 Milliarden davon der größte Einzelempfänger sein. Auch UBS hat ihre Prognose für Chinas Exportwachs- tum im Jahr 2021 unter Berücksichtigung des Biden-Konjunkturpakets deshalb kürz- lich von 10 auf 16 Prozent angehoben. Da auch im Euroraum ein großer Teil der Wirtschaftsleistung durch Exporte getrieben wird, dürften sich die US-Hilfen auch in der europäischen Realwirtschaft bemerkbar ma- chen. Der EZB-Chefökonom Philip Lane kommentierte die US-Stimuli mit den Wor- ten: „Natürlich waren die ersten Auswir- kungen stärker auf dem Finanzmarkt sicht- bar, aber im Laufe der Zeit, wenn die Hilfen zu wirken beginnen, werden sie ein bedeu- tender Motor für die Weltwirtschaft sein.“ Risiko von höheren Zinsen Anders sieht die Lage für Schwellen- und Entwicklungsländer aus, die aufgrund ihrer geringen Bonität Schwierigkeiten haben, Kredite in ihrer eigenen Währung aufzuneh- men, über große Handelsdefizite verfügen und schwache Handelsbeziehungen zu den USA aufweisen. Sollte die größere Nachfra- ge nach Waren und Dienstleistungen näm- lich zu Kapazitätsengpässen führen und hö- here Inflation verursachen, dann könnte dies einen weltweiten Anstieg der Zinssätze und höhere Finanzierungskosten bedeuten. Die ohnehin hohen Schuldenlasten vieler är- merer Länder könnten durch steigende Zin- sen und höhere Leistungsbilanzdefizite da- mit immer schwieriger zu bedienen werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte die Zentralbanken bereits davor, wachsam gegenüber einem plötzlichen Zinsanstieg zu sein, der auf die Schwellen- länder übergreifen könnte. Für die Federal Reserve und andere Zentralbanken in entwi- ckelten Volkswirtschaften bedeute dies, wei- terhin klar zu kommunizieren, um eine un- gerechtfertigte Straffung der finanziellen Marktbedingungen zu vermeiden. WarnendeWorte Die Welt sollte auf eine Schuldenkrise in den Schwellenländern und ihre Auswirkungen vorbereitet sein, betonte IWF-Chefin Krista- lina Georgieva und wies auf den damit ein- hergehenden politischen Wendepunkt hin. „Wir stehen heute vor einem neuen Bretton Woods-Moment!“, so Georgieva. Aus diesem Grund haben der IWF und andere internati- onale Organisationen eine Kampagne ge- startet, die darauf abzielt, nichts weniger als die Reform der internationalen Schuldenar- chitektur, insbesondere der Staatsschulden- verträge, zu erreichen. Dies solle in Form ei- ner „geordneten Umschuldung“ geschehen, die im Wesentlichen ein großzügiges Pro- gramm zum Schuldenerlass für Staatsanlei- hen relativ verarmter Nationen bedeutet. Georgieva wies darauf hin, dass die Be- kämpfung dieser Divergenz die größte He- rausforderung für die Weltwirtschaft und in- ternationale Organisationen in diesem Jahr sein könnte und warnte: „Was wir jetzt tun, wird die Welt nach der Krise prägen. Also müssen wir das Richtige tun.“ Spillover-Effekte auch für die EU von Bedeutung! Oliver Picek, Senior-Ökonom des Wiener Momentum Institut, hob in einer Analyse hervor, dass Spillover- Effekte auch bei der Verhandlung des europäischen Hilfspakets „Next Gene- ration EU“ gerne außer Acht gelassen werden. Zähe Diskussionen um mög- lichst geringe Nettozahlungen überse- hen nämlich die zusätzlich induzierten Wachstumseffekte, die durch das Pa- ket sowohl im In- als auch im Ausland ausgelöst werden. Piceks Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen des Wiederaufbauplans zeigt vor allem die Bedeutung von koordinierten fiskal- politischen Reaktionen. Wenn nur ein Land Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft ergreift, geht ein Teil des Effekts aus innerstaatlicher Sicht „verloren“, da dieser Teil der Außen- wirtschaft hilft. Wenn jedoch alle EU- Mitgliedstaaten gleichzeitig Maßnah- men zur Ankurbelung der Wirtschaft ergreifen, geht nur ein sehr kleiner Teil für andere europäische Länder außerhalb der Europäischen Union verloren, während der Rest anderen Mitgliedstaaten im Binnenmarkt zugu- te kommt. Trotz ihrer relativ geringen Inlandszuschüsse können somit auch die nord- und westeuropäischen Län- der in erheblichem Umfang vom „Next Generation EU“-Paket profitieren. „Es wird positive Aus­ wirkungen aus den USA geben, die das globale BIP und die Exporte aus dem Euroraum ankurbeln.“ Philip Lane, EZB Chefvolkswirt „Das Paket wird nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch das globale Wachstum ankurbeln.“ Laurence Boone, OECD Chefökonomin Mai 2021 – GELD-MAGAZIN . 13

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