GELD-Magazin, Dezember 2020 / Jänner 2021

Jänner 2021 – GELD-MAGAZIN . 15 War die Entwicklung zu schnell? Auf der einen Seite sehnen sich viele nach einem Impfstoff, der alle sozialen und wirt- schaftlichen Pandemie-Symtome beenden könnte, auf der anderen Seite sind rund drei Viertel aller Österreicher entweder noch un- schlüssig, sich impfen zu lassen, oder lehnen es überhaupt ab. Es plagt sie die Sorge, dass die in extrem kurzer Zeit entwickelten Impf- stoffe zu ernsten Nebenwirkungen führen könnten. Besonders die als neue Wunder- mittel angepriesenen Impfstoffe auf mRNA- Basis (von Pfizer/BioNTech, Moderna und CureVac) seien in Fachkreisen noch umstrit- ten. Doch das scheint auf zahlreichen Fehl- informationen zu beruhen, denn so neu ist der mRNA-Impfstoff wiederum auch nicht. „Seit 2013 gibt es mit mRNA-Impfstoffen be- reits klinische Studien an Menschen gegen andere Infektionskrankheiten. Die Studien sind zum Teil sogar schon abgeschlossen“, meint Florian Krammer, Professor für Vacci- nologie an der Icahn School of Medicine in New York. Außerdem wurden Behandlun­ gen mit mRNA ursprünglich als probates Mittel gegen Krebserkrankungen entwickelt (z.B., um den Tumor Growth Faktor, TGF, zu hemmen) – im Zuge dessen wurden um- fangreiche Erfahrungen gemacht. Warum die Impfstoffentwicklung in der Co- rona-Krise nun wesentlich rascher als üblich vonstatten ging, ist nicht auf Hudelei zu- rückzuführen, als vielmehr auf die Unsum- men an Fördermittel, die es den Pharmafir- men ermöglichte, ohne finanzielles Risiko sofort breite Feldstudien durchzuführen. Diese kosten in der Regel immerhin mehrere hundert Millionen Euro. Parallel dazu wur- den die Behörden ständig über die Ergeb- nisse informiert (Rolling-Review-Verfahren), ein Prozess, der sonst üblicherweise erst im Anschluss an eine abgeschlossene Studie er- folgt. Mit diesem Vorgehen wurde viel Zeit gespart, die sonst einfach in der Bürokratie verloren gegangen wäre. Und nicht zuletzt wurde die Massenproduktion der Impfstoffe, die bereits auf vollen Touren läuft, staatlich vorfinanziert. Alleine wäre kein Pharma­ unternehmen so ein finanzielles Risiko ein- gegangen. Risiko-Abschätzung Jeder Impfstoff ist prinzipiell mit Nebenwir- kungen behaftet, die in der Regel Tage bis Monate nach der Impfung auftreten. Das gilt sowohl für die Masern-, Mumps-, Polio- und FSME- bis hin zur Grippeimpfung. Zu unter- scheiden sind hier jedoch Nebenwirkungen (Rektogenität), die in Folge einer normalen Immunantwort häufig auftreten, wie lokale Gewebereizung, Kopfweh, Müdigkeit und leicht erhöhte Temperatur, und keine Be- sorgnis darstellen, von den schweren Impf- schäden, die auch bei jeder Impfung mög- lich, aber äußerst unwahrscheinlich sind – z.B. das Guillain-Barré-Syndrom mit einer Häufigkeit von etwa 1:1.000.000 nach einer Grippeimpfung. Den SARS-CoV-2-Impfstoff von Pfizer, Mo- derna und CureVac erhielten seit Juli etwa 50.000 Patienten, wobei hier bislang keine gravierenden Nebenwirkungen festgestellt wurden. Auch wenn in ganz seltenen Fällen noch welche auftreten könnten, muss man diesen das Risiko eines schweren Covid-Ver- laufes und der Letalität – besonders in den Risikogruppen – gegenüberstellen. Die Sterblichkeit liegt bei rund 1:100, schwere Nebenwirkungen bei Impfungen vielleicht bei etwa 1:1.000.000. Da muss nun jeder für sich entscheiden, welches für ihn das gerin- gere Risiko darstellt. mRNA-Impfstoff Drei der führenden SARS-CoV-2-Impf- stoffhersteller setzen auf die mRNA- Technik (Moderna, Pfizer/BioNTech und CureVac). Dabei wird der Bauplan des viralen Spikeproteins in Form eines spezifischen mRNA-Stranges geimpft, wonach die Körperzellen das Protein produzieren. Auf dieses reagiert das Immunsystem mit einer zellulären Abwehrreaktion (T-Zellen) und einer Antikörperproduktion (B-Zellen). Das Konzept dieser neuartigen Impf- stoffe ist genial, doch mögliche lang- fristige schwere Nebenwirkungen sind noch wenig erforscht. Dazu kursieren drei Fragen: Kann es nach der Immuni- sierung zu einer vermehrten Produktion sogenannter maskierender Antikörper kommen? Das würde die Schwere der Krankheit erhöhen anstatt sie zu verrin- gern. Das wurde bislang nicht gesehen. Zweitens: Könnte die mRNA zu DNA- Stücken umkopiert werden und damit das Genom verändern? Das ist prak- tisch ausgeschlossen, weil Körperzellen über keine RNA-Polymerasen verfügen. Und drittens wird befürchtet, dass als Spätfolge der mRNA-Impfungen vermehrt Autoimmunerkrankungen auftreten könnten, da körpereigene Zellen fremdartige Proteine produzie- ren und damit u.U. selbst ins Schuss- feld des Immunsystems geraten könnten. Das ist bislang nur Theorie. „Wir erteilen eine bedingte Marktzu- lassung auch in Notfällen nur, wenn der Impfstoff sicher und wirksam ist.“ Emer Cooke, Chefin der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) „So neu sind mRNA- Impfstoffe auch wieder nicht. Es gibt damit klinische Studien an Menschen bereits seit 2013.“ Florian Krammer, Professor für Vaccinologie, Icahn School of Medicine „Wir wissen, dass nur ein sicherer und wirksamer Impfstoff eine langfristige Lösung gegen diese Pandemie bietet.“ Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission

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