GELD-Magazin, Juli/August 2020

DeFi, die neuen ICOs? Ein Sektor des Kryptomarktes, der im derzeitigen Bullrun selbst Gi- ganten wie Bitcoin und Ethereum in den Schatten stellt, sind Dezentrali- ced Finance oder kurz DeFi-Tokens. DeFi-Anwendungen sind blockchain- basierte Finanzdienstleistungen, die darauf abzielen langjährige Probleme und Ineffizienzen des Finanzsystems zu lösen und gleichzeitig neue Formen von digitalen Assets zu schaffen. Wie bei einer Art Finanzlego lassen sich dabei Komponenten innerhalb des Ökosystems verbinden, um neue und noch leistungsfähigere Anwendungen zu formen. Der dahinterstehende Open Source-Ansatz und die Möglich- keiten, sich auf veränderte Marktbe- dingungen anzupassen, formte ein hochdynamisches Umfeld, in welchem beinahe wöchentlich neue Projekte den Markt erobern und frisches Ka- pital anlocken. Anfang des Jahres befanden sich gerade einmal 700 Millionen Dollar an digitalen Vermö- genswerten gebunden in DeFi-Smart Contracts, heute, acht Monate später, stieg das Volumen bereits auf 7,7 Mil- liarden. Auch die Marktkapitalisierung des DeFi-Sektors schwellte auf über 16 Milliarden an, wobei Projekte wie Chainlink, UMA, Maker, Synthetix oder yearn.finance Zuwächse von mehre- ren hundert Prozent verzeichneten. noch Gold bevorzugen. Nicht zu vergessen ist JPMorgan zufolge auch das diesjährige Halving (s.a. GELD-Magazin Jänner 2020, Seite 14), das das Angebot von neu-gemin- ten Bitcoin mit Mai schlagartig um die Hälf- te reduzierte und aufgrund der damit stei- genden Miningkosten einen Preisanstieg von Bitcoin rechtfertigen würde. Auch Mike McGlone von Bloomberg Inteligence teilt diese Meinung und sieht Bitcoin dem Trend des letzten Halvenings von 2016 folgend in den Startlöchern für neue Höhenflüge. Blockchaindaten bestätigen Trend Nicht nur aus Marktperspektive, sondern auch aus technischer Sicht deutet einiges auf einen Ausbruch hin. Laut der Datenana- lyse-Website Apptopia erhöhten sich bei- spielsweise die Netto-Neuinstallationen der Top-10 Crypto-Wallet-Apps im Juli um rund 81 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zu- rückzuführen sei dies unter anderem auf die globalen Ausgangsbeschränkungen und die wachsende Beliebtheit von Kryptowäh- rungen in Schwellenländern. Auch On-Chain-Daten, also Informationen, die sich aus der Netzwerkaktivität herleiten lassen, weisen auf ein äußerst preisunter- stützendes Verhalten der Nutzer hin. Meta- daten – sogenannte UTXOs – zeigen etwa, dass derzeit über 97 Prozent der gehaltenen Bitcoin gewinnbringend sind. Im Umkehr­ schluss bedeutet das, dass nur drei Prozent der auf den individuellen Wallets verwahr­ ten Bitcoin zu einen Zeitpunkt erworben wurden, an dem der Preis höher als bei dem jüngsten Hoch von 12.400 Dollar war und langfristige Anlagen derzeit also profitabler sind als selten zuvor. Dies spiegelt sich auch in einem zweiten bullishen Signal – der Hal- tedauer – wider. 61 Prozent der existie- renden Bitcoin werden seit einem Jahr nicht gehandelt, sondern gehalten – der Höchst- wert seit 2011! Selbst die Produktionsseite, also die Miner, bestätigen die allgemeine Erwartungshal- tung. Die Gesamtrechenkapazität des Netz- werkes erreichte Mitte August ein neues All- zeithoch von 129 Terahash pro Sekunde. Eine so stark ansteigende Hardwareinvestiti- onstätigkeit kurz nach dem Halving deutete in der Vergangenheit auf eine weitere Stabi- lisierung der Industrie und Erwartungen ge- genüber Preisanstiegen hin. Inflationsängste Zu guter letzt weisen Daten darauf hin, dass die jüngste Rallye im Kryptosektor in ge- wissem Maße durch den Wertverlust des Dollars angeheizt wurde. Gerüchte, dass die Federal Reserve eine Inflationszielsetzung von bis zu vier Prozent erlauben könnte, un- terstützten Bitcoin Mitte August dabei, die 12.000 Dollar-Marke zu brechen. Mit der Bestätigung des FED-Präsidenten Powell, dass das Zwei-Prozent-Ziel in Zukunft tem- porär außer Kraft gesetzt werden könnte, war dementsprechend auch ein wiederhol- ter Preis-Push einhergegangen. Kurzfristig könnten nichtstaatliche knappe Vermögens- werte, wie Bitcoin und Gold, durch erhöhten deflationären Druck zwar noch schwächeln. Solche Bedingungen würden die politischen Entscheidungsträger aber zweifellos dazu zwingen, noch größere finanzielle Erleichte- rungen zu gewähren, was Bitcoin als Absi- cherung gegen die Abwertung von Fiat-Wäh- rungen langfristig jedoch stärken sollte. Unsere Analysen zeigen, dass die ältere Kohorte Gold schätzt, die jüngere Generation bevorzugt jedoch eindeutig Bitcoin. Nikolaos Panigirtzoglou, JPMorgan Bitcoin spiegelt die Rückkehr zu seinem 2016er-Trend wider, als vorherige Höchststände erreicht wurden. Mike McGlone, Bloomberg Intelligence Wegen des limitierten Angebots und der wachsenden institu- tionellen Akzeptanz wird auch Bitcoin von der Suche nach Inflations-Hedges profitieren. Seamus Donoghue, Vizepräsident bei METACO September 2020 – GELD-MAGAZIN . 69

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=