GELD-Magazin, Juni 2020

Bifurkation, Corona und Green Deal Corona hat uns allen deutlich vor Augen geführt, wie schnell, umfassend und aus heiterem Himmel die Weltwirtschaft in die Knie gezwungen werden kann. Hinzu kommen die Krisen, die schon vor Corona vorhanden waren und sich in der Zwischenzeit auch nicht aufgelöst haben – allen voran der globale Klimawandel, der weiterhin zügig voranschreitet. Es gibt also einiges zu tun: für uns als Gesellschaft! Bifurkation – die Abzweigung liegt bereits hinter uns In der Mathematik meint Bifurkation oder Verzwei­ gung eine qualitative Zustandsänderung in nicht­ linearen Systemen unter Einfluss eines Parameters (oder mehrerer). Wie passend: Als Gesellschaft ste­ hen wir vor dieser Weggabelung bzw. haben die Ab­ zweigung dank Corona etwas beschleunigt, bereits genommen und nun führt kein Weg mehr zurück. D.h. der Umbau der Gesellschaft in nahezu allen Be­ reichen ist mit voller Kraft im Gange und auch die Finanzwelt stellt sich um. Immer mehr Kunden for­ dern nachhaltiges Wirtschaften und umweltfreund­ liche Produkte ein. Der Ruf nach einer grünen, nach­ haltigen und klimaneutralen Wirtschaft ist während der Krise noch lauter geworden. Green Deal – Untergang oder Neustart? Die Umsetzung des Green Deal der Europäischen Union beschäftigt den Großteil der Marktteilnehmer – sind doch die Budgets der EULänder sowie der Banken und Unternehmer durch Corona stark bela­ stet. Und so glauben nun viele, dass sich niemand mehr den Green Deal leisten wird können und die­ ser als politisches Konstrukt gestrichen oder zumin­ dest doch den wirtschaftlichen Realitäten angepasst wird – wie auch sein ambitionierter Zeitplan. Ich bin hier eindeutig gegenteiliger Meinung – näm­ lich, dass es sich die Gesellschaft im Kollektiv mit all ihren Unternehmen nicht mehr länger wird leisten können, Nachhaltigkeit zu ignorieren. 1.000 Milliarden fürWiederaufbau und Klimaschutz Sicher ist: Sowohl für den Wiederaufbau der Wirt­ schaft als auch für den Green Deal sind beträcht­ liche Geldmittel erforderlich, die nicht nur aus EU und nationalen Budgets zur Verfügung gestellt wer­ den können. Auch der Beitrag des Kapitalmarkts ist gefragt. Die OeKB hat bei der Begebung eines Sustai­ nability Bonds eine Vorreiterrolle am österreichi­ schen Kapitalmarkt eingenommen und unterstützt die Neukategorisierung von Anlageinstrumenten nach ESGKriterien. Gleichzeitig entdecken Inve­ storen ihr Interesse an nachhaltigen Produkten. Dieses sich rasch verändernde Anlegerverhalten be­ schleunigt den Wandel zu einer Green Economy und kann den Wiederaufbau der Wirtschaft nachhaltig und zukunftssichernd gestalten. Die Krise hat er­ neut gezeigt, dass nachhaltige Fonds ihre Perfor­ mance besser halten können. Der Trend zur Outper­ formance von nachhaltigen Titeln besteht aber nicht nur in der Krise – in fast allen Phasen schlugen sie in den vergangenen zwölf Jahren, seit der SRI Index berechnet wird, den großen Bruder. Zeit, Verantwortung zu übernehmen Spätestens jetzt heißt es für uns alle: Hinsehen und Verantwortung übernehmen für das, was wir alle im Kollektiv erschaffen haben. Denn natürlich haben wir all diese Krisen gemeinsam kreiert und uns alle gemeinsam genau dorthin gebracht, wo wir jetzt sind. Wer denn sonst? Jeder von uns hat wohl sein Scherflein dazu beige­ tragen und nun ist es an der Zeit, dass wir dazu bei­ tragen, uns von „den Geistern, die wir riefen“ wieder zu befreien. Denn wir erkennen nach und nach, dass wir diese nicht mehr wollen. Wie wollen wir uns nun aus der Krise befreien bzw. diese bewältigen? Nun ja, über den Green Deal der EUKommission, der sich dem grünen Wiederauf­ bau der Wirtschaft widmet, könnten wir die Wirt­ schaft wieder auf und gleichzeitig nachhaltig um­ bauen: und damit auch der Klimakrise begegnen. Das wäre aus meiner Sicht angebracht, denn eine nachhaltige Wirtschaft in der das WIR wieder mehr in den Mittelpunkt rückt, liegt uns wohl allen am Herzen – zumindest denen, die sich selbst und auch noch den nachkommenden Generationen ein Leben in Freiheit und Gesundheit ermöglichen möchten. www.dragonfly.finance GASTBEITRAG . Susanne Lederer-Pabst, dragonfly finance Dr. Susanne Lederer-Pabst, dragonfly finance FOTO: beigestellt Juni 2020 – GELD-MAGAZIN . 17

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