GELD-Magazin, April 2020

Die Wut der Verlierer. Autor Manfred Drennig ist ein erfahrener Finanzprofi und war unter anderem stellvertretender Gene- raldirektor der österreichischen Länder- bank sowie Mitglied des Vorstands der Bank Austria. Im vorliegenden Werk zeich- net er das Bild einer Wirtschaft mit der et- was nicht mehr rund läuft. Ein Gefühl, das mittlerweile viele Menschen spüren. Aber was sind die Ursachen dafür? Drennig meint, dass traditionelle Annahmen der Wirtschaftswissenschaften unter den aktu- ell herrschenden Verhältnissen oft nicht mehr der Realität entsprechen. Die Wirt- schaft schaffe heute stets neue Ungleich- heit, und die Wut der Verlierer würde die bestehenden Strukturen zunehmend desta- bilisieren. Ein wesentlicher Faktor in dieser nicht ungefährlichen Situation sei, dass „sich die Politik in wichtigen Bereichen un- absichtlich, aber gründlich selbst aus dem Spiel genommen hat. (...) Die eigentlichen Gestaltungsspielräume der Wirtschaftspo- litik haben sich aus der Administration in die Legislative verschoben.“ Drennig steht dabei zu der Aussage, dass etwas gegen ein weiteres Auseinanderklaffen der Vermögen unternommen werden muss, kleine Sparer sollten nicht um die Früchte ihrer Anstren- gungen gebracht und gleichzeitig materiell besser abgesichert werden. Er spricht sich dabei gegen „radikale Veränderungen mit völlig unüberschaubaren Folgen“ aus, zu- dem plädiert er für die „Reparatur erkenn- barer Schwachstellen“. Dabei könnte etwa die Zerschlagung von Kartellen ins Auge gefasst werden. Handeln gefragt. Die Erkenntnis, dass der Klimawandel nicht irgendwann und an- derswo passiert, sondern, dass wir alle schon mittendrin stecken, hat sich mittler- weile zum Glück schon herumgesprochen. Allerdings: Während der Zusammenbruch des Klimas durch Wetterkapriolen, Arten- sterben und Umweltkatastrophen in unser Bewusstsein eingedrungen ist, wird die Kluft zwischen Wissen und Handeln immer größer. Dieses Phänomen beschreibt der Autor und Journalist Peter Carstens in „Das Klima Paradox“, passender Untertitel: „Wa- rum wir lieber im Chaos versinken, als das Klima zu schützen.“ Warum also? Auch, weil das mit dem Wissen und Nicht-Wissen eine komplexe Sache ist: Ein nicht zu un- terschätzender Faktor bildet dabei die menschliche Psyche, die für selektive Wahrnehmung und gleichzeitig auch für selektive Unaufmerksamkeit sorgt. Das be- deutet, dass unliebsame Informationen ausgeblendet werden. Und was nicht so recht zu unserem Bild von uns selbst und der Welt passt, wird eben passend ge- macht. Einen Bärendienst steuern auch so- ziale Netzwerke wie Facebook bei, hier be- kommt jeder das vorgeschlagen, wovon er oder sie (nach Berechnung des Algorith- mus) ohnehin schon überzeugt ist. Das Ausbrechen aus der Filterblase wird somit immer schwieriger. Was aber laut Carstens durchaus möglich ist: Wenn sich der Ein- zelne der Wahrheit stellt und Verantwor- tung nicht delegiert sondern übernimmt. Devise: Nicht auf andere warten, die Zeit zum Handeln bestimmt jeder selbst. Wiedergelesen. Gute Bücher werden nicht alt. Das gilt aus traurigem, aktuellem An- lass ganz besonders für den Klassiker „Die Pest“ von Albert Camus. Rowohlt druckt in diesen Tagen die 90. Auflage, die Verkäufe im deutschsprachigen Raum sind laut dem Verlag bereits im Februar deutlich ange- stiegen, auch von Lieferzeiten bis zu zwei Wochen wird berichtet. Zum Inhalt: Der Erzähler berichtet von einem fiktiven Pestausbruch in der Hafenstadt Oran an der algerischen Küste in den 1940er-Jah- ren. Tote Ratten sind die Vorboten des Grauens, und schnell springt die Krankheit auf die Bevölkerung über. Anfängliches Nichtwahrhaben-Wollen weicht der siche­ ren Gewissheit: Die Pest wütet. Die Opfer- zahlen steigen täglich und die Stadt wird unter strenge Quarantäne gestellt. Es ist aber nicht so sehr Panik, die Camus be- schreibt, sondern mehr eine Form der Resi- gnation. Eines (von vielen) bezeichnenden Zitaten: „Ach! Wenn´s nur ein Erdbeben wäre! Ein tüchtiger Stoß und damit Schluss ... Man zählt die Toten, die Leben- den, und der Spaß ist zu Ende. Aber diese Schweinerei von einer Krankheit! Sogar die, die sie nicht haben, tragen sie im Her- zen.“ Neben der physischen droht also auch die psychische Zerstörung. Camus findet in diesem Szenario die Bühne, um sein philosophisches Konzept des Existen- zialismus und der Absurdität zu schildern. Wobei erst durch bewusste Anerkennung des Absurden dem Leben seine Bedeutung zufällt. Eine Aussage, die sich durch das gesamte Werk des großen Autors zieht. Das Klima Paradox Peter Carstens. Verlag: Riva. 143 Seiten. ISBN: 978-3-7423-1257-0 Wirtschaftspolitik Manfred Drennig. Verlag: Facultas. 265 Seiten. ISBN: 978-3-7089-1952-2 Die Pest Albert Camus. Verlag: Rowohlt. 349 Seiten. ISBN: 978-349922-5000 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt 82 . GELD-MAGAZIN – April 2020

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