GELD-Magazin, April 2020

B ereits seit über 40 Jahren bestehen die Referenzzinssätze Euribor und Libor. Es handelt sich dabei natür- lich um Instrumente der Hochfinanz, die aber auch einen wesentlichen Einfluss auf Produkte des täglichen Bedarfs wie Spar- konten oder Kredite ausüben (siehe Lexikon links). Abseits der Aufmerksamkeit der brei- ten Öffentlichkeit wird nun sehr intensiv an der Ablöse dieser Indikatoren gearbeitet. Den Hintergrund der Reformen bilden Ma- nipulationsvorwürfe und milliardenschwere Kriminalfälle. Verurteilungen und Haftstrafen Der Libor gibt vereinfacht gesagt an, zu wel- chen Konditionen sich Banken gegenseitig Geld leihen. An ihm und verwandten Refe- renzzinsätzen wie dem Euribor hängen Ge- schäfte von mehreren Billionen Dollar – und zwar täglich. Deshalb lassen sich schon durch kleine Bewegungen massive Gewinne erzielen, was Banken zu Manipulationen nutzten. Die britische Behörde zur Bekämp- fung schwerer Wirtschaftsverbrechen deckte das auf und hat an elf Geldhäuser Strafen von mehreren hundert Millionen Dollar verhängt, darunter so renommierte Häuser wie Deutsche Bank oder Barclays. Auch mussten einzelne Händler (etwa der UBS) mehrjährige Haftstrafen antreten. Neue Spielregeln Um Betrügereien die Basis zu entziehen, gibt die EU-Benchmark-Verordnung vor, dass Euribor & Co. in ihrer bisherigen Form nicht mehr verwendet werden dürfen und durch transparentere Benchmarks ersetzt werden. Michael Hammer, Direktor der Steuerberatung BDO Österreich, erklärt: „Weil der Manipulationsspielraum so groß war, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, neue Spielregeln einzuführen. Zukünftig sollen die Referenzzinssätze auf Transakti- onen basieren und nicht mehr auf Quotie- rungen durch einmeldende Banken. Diese Entwicklungen betreffen alle Währungen gleichermaßen, egal ob US-Dollar, Euro oder Pfund, wobei in den entsprechenden Währungsräumen Arbeitsgruppen einge- setzt worden sind.“ Der Zeitrahmen ist an- gesichts der enormen Auswirkungen auf Finanzmarktteilnehmer durchaus knapp: In Europa forderte die EU-Benchmark-Verord- nung eine Ablöse der bestehenden Refe- renzzinssätze bereits mit Ende 2019, wobei die Übergangsfrist für kritische Referenz- werte noch einmal bis 2021 verlängert wur- de. Großbritannien, die Schweiz und die USA streben eine Ablöse ebenfalls bis Ende 2021 an. Banken sollen dabei robuste „Not- fallpläne“ vorweisen, die Maßnahmen darle- gen, wenn sich ein Referenzwert wesentlich ändert, aber auch das ist in der Öffentlich- keit noch nicht angekommen. WISSEN . Euribor und Libor Reformierung Von einer breiten Öffentlichkeit nur wenig beachtet, stehen maßgebliche Veränderungen bei Euribor und Libor an. Diese wichtigen Referenzzinssätze sollen transparenter und weniger anfällig für Manipulationen werden. HARALD KOLERUS Lexikon Euribor steht für Euro Interbank Offered Rate und bezeichnet die durchschnittlichen Zinssätze, zu denen viele europäische Banken einander Anleihen in Euro gewähren. Dabei gelten verschiedene Laufzeiten: von einer Woche bis 12 Monate. Die Euribor-Werte gelten als Gradmesser für allerlei Zinsprodukte wie etwa Zins- swaps, Zins-Futures aber auch Spar- konten und Hypotheken. Aus diesem Grund verfolgen sowohl Fachleute als auch Privatpersonen die Entwicklung der Euribor-Werte sehr genau. Libor (London Interbank Offered Rate) ist ein in London ermittelter Re- ferenzzinssatz, der unter anderem als Grundlage für die Berechnung des Kreditzinses herangezogen wird. Er gilt auch als Preisgrundlage auf dem Geldmarkt und ist damit der weltweit bedeutendste Referenzzinssatz. Die bekannte Benchmark für die Zinsen von Spareinlagen und für Kredite wird jetzt um­ fassend reformiert. Quelle: TeleTrader 12 Monats-Euribor -0,4% 2015 2017 2018 2019 2016 0,2% 0,1% 0,0% -0,1% -0,2% -0,3% 80 . GELD-MAGAZIN – April 2020

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