GELD-Magazin, November 2019

N achhaltigkeit hat nicht nur das tägliche Leben, sondern auch die Investmentindustrie verän- dert. Durchaus lobenswert. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Fokus fast ausschließlich auf Ökologie und Um- weltschutz gelegt wird. Zweifellos ist die Bekämpfung des Klimawandels ein überragend wichtiges Thema, dabei sollte man aber nicht vergessen, dass weltweit unzählige Menschen in Wirk- lichkeit unter kaum tragbaren Umstän- den leben müssen: In bitterer Armut. WOHLSTAND STEIGT UNGLEICH Als „absolut arm“ gelten nach der aktuellen Definition der Weltbank Men- schen, die täglich kaufkraftbereinigt weniger als zwei Dollar zur Verfügung haben. Und hier kommt gleich einmal eine gute Nachricht: Nicht immer mehr Menschen leben in bitterster Armut (wie das oft in der Öffentlichkeit fälsch- lich angenommen wird), sondern immer weniger. Weltweit schrumpfte Armut von einem Anteil von 95 Prozent im Jahr 1820 auf ca. 10 Prozent heute. Die Weltbevölkerung ist in dieser Zeit von knapp einer Milliarde auf mittlerweile 7,5 Milliarden angewachsen. Ein klarer Indikator dafür, dass ma- terielle Not nicht so sehr von Ressour- cenbeschränkung, sondern wirtschaft- licher Weiterentwicklung und Vertei- lungsgerechtigkeit abhängig ist. Außer- dem fiel in den verschiedenen Weltre- gionen der Rückgang absoluter Armut auch sehr unterschiedlich aus. So ist sie (nach der oben genannten Definiti- on) in Europa und Amerika nahezu un- bekannt, während sie in Subsahara- Afrika nach wie vor dominierend ist. DER GINI-KOEFFIZIENT Um das Wohlstandsgefälle in Rela­ tion setzen zu können, hat der Statisti- ker Corrado Gini (1884 bis 1965) den nach ihm benannten Gini-Koeffizienten entwickelt. Die genaue statistische Be- rechnung anhand der sogenannten Lo- renz-Kurve wollen wir hier nicht breit treten, wichtig ist das Prinzip: Der Gini-Koeffizient gibt den Grad der Ungleich- heit der Einkommensverteilung, z.B. in einem Land oder einer Region, nach dem häuslichen Pro-Kopf-Einkommen an. Im Falle der maximalen Gleichver- teilung (jede Person bezieht exakt das Durchschnittseinkommen der betrach- teten Grundgesamtheit, etwa eines Staates) nimmt der Gini-Koeffizient den Wert null an. Während er im anderen – theoretischen – Extremfall, einer ma- ximal ungleichen Verteilung, den Wert 100 belegt (eine einzige Person bezieht das komplette Einkommen einer Ge- sellschaft). Nach dieser Berechnung wäre Lesotho mit einem Gini-Wert von 63 das Land der stärksten Ungleichver- teilung, gefolgt von Südafrika (62) und Mikronesien (61). Österreich steht mit einem Wert von 30 viel besser da. Am gerechtesten geht es, und das ist doch überraschend, im Kosovo (23) zu. Aller- dings muss angefügt werden, dass die Daten zur Berechnung des Gini-Index oft unvollständig und veraltet sind. Er eignet sich vor allem als Richtwert. WISSEN | Gini-Koeffizient 50 | GELD-MAGAZIN – November 2019 Einige Menschen leben in Saus und Braus, andere kommen gerade so über die Runden – und sehr viele müs- sen noch immer in extremer Armut dahinvegetieren. Bevor solche Ungleichheit bekämpft werden kann, muss man allerdings erst wissen, wie sie verteilt ist. Für diese Berechnung sorgt der sogenannte Gini-Koeffizient mit durchaus überraschenden Ergebnissen. Harald Kolerus Die Welt ist ungerecht Die gute Nachricht lautet: Auch wenn Armut rund um den Globus nach wie vor ungerecht verteilt ist, in absoluten Zahlen geht sie zurück. ENTWICKLUNG DER EXTREMEN ARMUT in Prozent derWeltbevölkerung 1820 6 % Menschen leben nicht in extremer Armut Quelle:AgendaAustria 1850 1900 1950 2000 2015 90 % Menschen leben nicht in extremer Armut 10 % Menschen leben in extremer Armut 94 % Menschen leben in extremer Armut

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