GELD-Magazin, November 2019

Schließlich bleibt den Banken zur Verteidigung ihrer Rentabilität gar nichts anderes übrig, als alternative Einnahmequellen zu generie- ren. Den Negativzinsen kann man noch einigermaßen ausweichen, höheren Gebühren rund um ein Girokonto schon schwerer. Weniger Zeit für fachliche Beratung. Banken müssen die per- sönlichen Verhältnisse ihrer Kunden genau kennen („know your customer“), die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und, so vorhanden, woher das Vermögen stammt. Ebenso müssen sie die Risikotragfähigkeit und Risikobereitschaft jedes Kunden eruieren, um ihm nur „ange­ messene“ Produkte zu verkaufen. Damit müssen die Banken aus Kostengründen die Beratungszeit je Kunden knapp kalku- lieren. In der Praxis läuft das darauf hinaus, dass Beratungsgespräche zunehmend dem Ausfüllen aller möglichen Formulare dienen und für die eigentliche Beratung immer we- niger Zeit bleibt. S oweit Negativzinsen und die Überregulierung fast alle Betei­ ligten der Finanzindustrie be­ lasten, ergeben sich andererseits für die Fondsindustrie nicht geringe Chancen: Nach einer aktuellen IMAS-Studie halten 62 Prozent der Österreicher ein Spar­ buch für nicht mehr zeitgemäß! Desto leichter müsste es sein, ihnen Fonds zu verkaufen, die ihnen solide Renditechan­ cen versprechen. Man könnte daher mei­ nen, für die Fondsbranche brechen nun­ mehr goldene Zeiten an. In der Praxis schaut es aber wieder einmal anders aus. Erstens haben mehr und mehr Anleihefonds das Problem, dass sie auf absehbare Zeit mit Anleihen nicht einmal ihre eigenen Kosten verdie­ nen können. Zunehmend wird daher ver­ sucht, mit neuen, vermeintlich attrak­ tiven Themen (z.B. alternative Energien, Nachhaltigkeit etc.) Anleger zu gewin­ nen. Die Bemühungen waren in den letz­ ten Jahren aber nur bedingt erfolgreich. Während die österreichischen Fondsge­ sellschaften vor Ausbruch der Finanz­ krise insgesamt ein Volumen von knapp unter 164 Milliarden Euro betreuten, waren es elf Jahre später, also 2018, ge­ rade einmal etwas über 164 Milliarden CREDITS: Fokussiert,gearstd,Warakorn/stock/adobe.com WIRTSCHAFT | Finanzindustrie im Wandel 20 | GELD-MAGAZIN – November 2019 150 Milliarden Euro liegen in Österreich auf täglich fälligen Konten herum – praktisch unverzinst oder gar mit Strafzinsen belegt. Anleihen mit Negativzinsen sind auch kein Ausweg aus dem Renditedilemma. Für Fonds­ anbieter ergibt sich dadurch ein Konkurrenzvorteil – sofern die Chance richtig genützt wird. Gastbeitrag von Dr. Manfred Drennig, Privatconsult Fondsanbieter im Vorteil Sparbuch ohne Rendite. Es ist offenkundig, dass die aktuelle Zins- situation vor allem die Sparer benachteiligt. Auf die Frage, wieviel sie das kostet, gibt es aus methodischen Gründen unterschiedliche Antworten – aber auf weniger als drei Milliarden im Jahr kommt kein einziges Ergebnis. Anleihen kein Ausweg mehr. Mehr als 15.000 Milliarden Dollar von den weltweit umlaufenden Anleihen weisen bereits eine negative Verzinsung auf. Vorsorgeprodukte unrentabel. Indirekt sind Sparer ebenso betroffen. Denn Versi- cherungen und Pensionskassen hängen mit ihren Ergebnissen, nicht zuletzt wegen der für sie geltenden strengen Veranlagungs- vorschriften, stark vom Anleihemarkt ab – mit den entsprechenden traurigen Konse- quenzen für die Rentabilität. Höhere Bankgebühren. Zusätzlich müssen Sparer mit höheren Bankgebühren rechnen. Unter Berücksichtigung der Inflation verlieren Österreichs Sparer jedes Jahr viele Milliarden. SPARER LEIDEN VIELFACH UNTER DEN NULL- ODER NEGATIVZINSEN

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=