GELD-Magazin, Oktober 2019

Wie in Japan während der 1990er Jahre nahm auch in Deutschland die private Sparneigung (Haushalte und Unternehmen), nach dem Platzen der Telekomblase im Jahr 2000 zu. schaft jedoch toxisch ist. Jeder Yen, der für finanzielle Reserven oder zur Rück- zahlung von Schulden auf die Seite ge- legt wurde, muss bilanziell nämlich von jemand anderen geborgt und ausgegeben werden, um den Wirtschaftsmotor nicht abzuwürgen. In einer gesunden Ökono- mie regeln das die Zinsen. Ist der private Schuldenüberhang jedoch zu groß, wer- den die unverliehenen Ersparnisse dem Einkommensstrom entzogen und verur- sachen eine Deflationsspirale – Koo’s so- genannte „Balance Sheet Recession“. DIE LEHREN AUS JAPANS PROBLEMEN Ähnliches spielt sich gerade in Euro- pa ab. Nach dem Platzen der US-Immo- bilienblase und der darauf folgenden glo- balen Finanzkrise wurde der private Sek- tor in beinahe allen entwickelten Öko- nomien in die Rolle der Nettosparer ge- drängt. Schuldenminimierung anstelle von Profitmaximierung scheint die De- vise. So lässt trotz Negativzinsen und unkonventionellen Maßnahmen die In- flation und das wirtschaftliche Momen- tum auf sich warten. Exakt dasselbe Muster wie damals in Japan, aber auch Deutschland nach dem Platzen der Tele- kom- und Internetblase im Jahr 2000. Für Koo steht fest, dass eine langfris­ tige Stagnation nur durch eine akkom- modierende öffentliche Verschuldung und expansive Fiskalpolitik abgewen- det werden kann – ein Szenario, das er in einem kürzlich veröffentlichten Ar- tikel der Financial Times abermals ver- deutlichte. Seinen Berechnungen zufolge durchlief Japan durch das Platzen der Rezessionsgefahr und Japanifizierung | COVERSTORY Oktober 2019 – GELD-MAGAZIN | 9 RICHARD KOO: Richard C. Koo wurde 1954 in Kobe, Japan, geboren. Der US-Bürger mit taiwanesischen Wurzeln studierte Ökonomie an der Universität Berkeley bei San Francisco und an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Danach arbeitete der Vater von zwei Kindern bei der Federal Reserve Bank von New York. Seit 1984 ist er am Nomura Re- search Institute, dem er nun als Chefökonom vorsteht. Zusätzlich ist er im Beratergremium des Institute for New Economic Thinking. Im Nikkei-Finanzranking wurde Koo drei mal (1995, 1996 und 1997) als Nummer 1 unter 100 Ökonomen mit Forschungsschwer- punkt Japan gerankt. Bekannt für die Entwicklung der „Balance Sheet Recession“ beriet er über Jahrzehnte hinweg mehrere japanische Premier Minister und unterrichtete von 1998 bis 2010 als Gastprofessor an der privaten Wasenda Universität in Tokio. In seinem 2008 erschienenen Buch „The Holy Grail of Macroeconomics“ popularisierte er die Idee der Bi- lanzrezession, um die langjährige Wirtschaftskrise Japans zu erklären. Immer warnt Koo öf- fentlich, dass der Westen, insbesondere die Eurozone, seit der Krise 2008 in den Schuhen Japans wandert und rät dabei zu weitreichenden Impulsen durch Staatsausgaben. DIE SPARQUOTE STEIGT NACH ÜBERSTANDENEN KRISEN 15% 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 Quelle:Bankof Japan,CabinetOffice,Japan,BundesbankandEurostat 10% 5% 0% -5% 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 Deutschland Japan Bilanz-Rezession Blase CREDIT : Vlad/stock.adobe.com,CFA Institute Japan (1988-2004) Deutschland (1998-2014)

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