GELD-Magazin, Oktober 2019

E igentlich sollte er praktisch von Anfang an Kosmopolit sein: Boris de Pfeffel Johnson wurde 1964 in New York geboren und verbrachte wich- tige Kindheitsjahre in Brüssel, wo er die (pikanterweise von der EU gegründete) Europäische Schule besuchte. Klingt eli- tär, und so ging es auch weiter: Johnson war nach der Übersiedlung seiner Eltern ins Vereinigte Königreich Schüler am privaten Internat Eton, später studierte Johnson Klassische Altertumswissen- schaft am Balliol College der Universität von Oxford. Ebenfalls eine Eliteschmie- de: Immerhin 28 der 55 Premierminister Großbritanniens seit dem 17. Jahrhun- dert waren Oxford-Absolventen. WURZELN IN DER POLITIK Das ausgeprägte Elite-Bewusstsein und der Hang zur Politik wurden John- son aber schon zuvor quasi in die Wie- ge gelegt, so war sein Vater Abgeordneter der Conservative Party im Europäischen Parlament. Interessant: Sein türkischer scheint, dass Johnson innerhalb seiner politischen Laufbahn vieles richtig ge- macht haben muss. Fragt sich nur, was? Denn sein Auftreten ist oft rüpelhaft, um nicht zu sagen vulgär. BLACKOUT-BORIS Gelinde gesagt geschmacklos war etwa sein Vergleich einer Dinnerparty der Queen mit der Schlacht von Dünkirchen (s. Bericht auf der rechten Seite). Auch für richtige Ausraster ist Boris gut. In einem Streitgespräch mit einem Londoner Taxi­ fahrer schrie er: „Verpiss Dich und stirb.“ Die Szene wurde zufällig mitgefilmt und entwickelte sich zum YouTube-Knaller. Eine Entgleisung, die in vielen anderen Ländern wohl das politische Aus bedeu- tet hätte. Auch in Großbritannien sorgte der Zank für einige Diskussionen, wirk- lich geschadet hat er Johnson allerdings nicht. Die überwiegende Zahl der Briten attestierten ihm eine starke Persön- lichkeit (Zustimmung 80 Prozent, siehe Grafik), der absolute Spitzenwert unter CREDIT: Foreign & Commonwealth Office BRENNPUNKT | Porträt Boris Johnson 12 | GELD-MAGAZIN – Oktober 2019 Die feine Klinge ist nicht gerade sein bevorzugtes Instrument der Auseinandersetzung. Viel eher greift er zum verbalen Beehander und schießt derbe Attacken auf seine politischen Gegner ab. Dennoch ist Boris Johnson bei der britischen Bevölkerung erstaunlich beliebt, was Parallelen zu Donald Trump in den USA zieht. Es stellt sich die Frage: Wie tickt Boris und wie tickt eigentlich das Vereinigte Königreich? Harald Kolerus Bumm, Bumm Boris Urgroßvater väterlicherseits, Ali Kemal Bey (1867-1922), war der letzte Innen- minister des Osmanischen Reichs. Er fiel übrigens einem politischen Attentat zum Opfer. Boris Johnson ist außerdem ein Großneffe 6. Grades von Königin Elisa- beth II. und auch mit zahlreichen ande- ren Staatsoberhäuptern aus dem euro- päischen Hochadel verwandt. „KÖNIG DER WELT“ Jedenfalls war es bei so einer Vor- geschichte bereits für den jungen Boris klar, dass sein Lebensweg in die höheren Sphären der Politik führen müsse. Und seiner Persönlichkeitsstruktur folgend wurde hier natürlich geklotzt und nicht nur gekleckert. Seiner Schwester Rachel soll er als kleiner Junge gesagt haben, er wolle „der König der Welt“ werden. Ganz so weit ist es zwar nicht gekommen, aber Bürgermeister von London und Premier­ minister des Vereinigten Königreichs lesen sich auch nicht so schlecht im Lebenslauf. Wobei an dieser Stelle klar In den Meinungsumfragen haben die Konservativen mit 35 Prozent die Nase weit vorne, trotz oder wegen Boris. Im Parlament hat er hingegen sechs von sechs Abstimmungen verloren. SONNTAGSFRAGE IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH Quelle:TheSun Quelle:TheEconomist ZustimmungderBevölkerung 0% 20% 40% 60% 80% Johnson wird von den Briten überwiegend eine „starke Persönlichkeit“ zugesprochen. STARKE PERSÖNLICHKEIT 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% Brexit-Party Liberaldemokraten Labour Konservative 14% 18% 24% 35% Boris Johnson Tony Blair David Cameron MargaretThatcher John Major Theresa May Gordon Brown

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