GELD-Magazin, September 2019

ausbezahlt werden kann, damit Pflege­ bedürftige solange wie möglich zu Hause betreut werden können. Daher ist ein zentraler Punkt im ÖVP-Konzept die Förderung der 24-Stunden-Betreuung. Auch die Pflegekarenz soll kommen, wenn es nach der ÖVP geht, womit sie hier auch auf die Unterstützung der SPÖ, NEOS wie auch der Grünen hoffen kön­ nen, die einen Rechtsanspruch auf Pfle­ gekarenz und Pflegeteilzeit für die pfle­ genden Angehörigen einfordern, „schon allein aus dem Grund, da rund ein Drit­ tel der pflegenden Angehörigen einer er­ werbstätigen Arbeit nachgeht“, wie Pa­ mela Rendi-Wagner erklärt. Die Parteien sind sich schließlich auch diesbezüg­ lich einig, dass durch flexiblere Ange­ bote (Halbtags- oder Ganztagsbetreuung, Kurzzeitpflege, Tageszentren etc.) die An­ gehörigen entlastet werden müssen. Die Politik scheint sich dabei der Forderung der Caritas anzuschließen, die noch im­ mer eine riesige Lücke zwischen einer Kurzzeitbetreuung und einer 24-Stun­ den-Betreuung diagnostiziert. „Momen­ tan gibt es öffentlich unterstützt im We­ sentlichen nur die Möglichkeit, wenige Stunden am Tag zu Hause oder komplett im Pflegewohnhaus betreut zu werden“, so Bodmann. „Es braucht eine Vielzahl an Angeboten, vor allem einen Ausbau der mobilen Dienste.“ ATTRAKTIVITÄT VON PFLEGEBERUFEN STEIGERN Die dritte Forderung der Caritas ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu gestal­ ten. „Die gute Nachricht ist: Wir brau­ chen zusätzliche Pflegekräfte in Öster­ reich. Die Pflege ist also ein Arbeitsplatz­ beschaffer. Die schlechte Nachricht: Es ist nicht so einfach, diese Leute auch zu finden. Hierzu muss der Beruf einfach at­ traktiver gestaltet werden“, so Bodmann. Attraktivität beginnt aber mit der gesell­ schaftlichen Anerkennung, die wiederum in Geldeinheiten gemessen wird. Wäh­ rend die ÖVP die Pflegeberufe als Man­ gelberufe auszeichnen will, um den Be­ trieben zu ermöglichen, Pflegekräfte aus dem Ausland zu billigeren Konditionen arbeiten zu lassen, fordert die SPÖ eine bessere Bezahlung für professionelles Pflegepersonal. In der Ausbildung sprechen sich die FPÖ und die ÖVP für die Einführung einer Pflegelehre aus. Die aktuelle Ge­ setzeslage erlaubt jedoch erst einen Ein­ satz am Krankenbett ab dem vollendeten 17. Lebensjahr. In den zwei bis drei Jah­ ren zwischen Pflichtschulabschluss und Pflegeausbildungsbeginn verliere man je­ doch viele interessierte Jugendliche an andere Berufe, heißt es aus dem ÖVP-Se­ niorenbund. Der Kunstgriff der ÖVP lau­ tet daher wie folgt: Pflegelehre ab 15, wo­ bei die Praxisausbildung erst ab 17 er­ folgen soll. SPÖ, NEOS und die Grünen lehnen ein solches Konzept ab, weil die Jungen den psychischen Belastungen in diesem Alter nicht gewachsen seien. Die FPÖ schlägt die Schaffung einer Bundes­ genossenschaft für Pflege und Betreuung vor. Über diese können auch ein Urlaubs­ ersatz und eine entsprechende Weiterbil­ dung geregelt werden, auch um die Viel­ zahl der ausländischen Pflegekräfte, die derzeit als selbstständige Personenbe­ treuer arbeiten, durch angestellte Pflege­ kräfte zu ersetzen. Auch die Durchlässig­ keit bei der Ausbildung muss in einem allfälligen Masterplan Pflege integriert werden, sind sich die Experten einig. „Es kann nicht sein, dass – wie es heute der Fall ist – eine Ausbildung zum Pflege­ assistenten nicht für die Ausbildung zum diplomierten Krankenpfleger angerech­ net werden kann“, so Bodmann. PRÄVENTION DURCH BETREUTES WOHNEN Eine wichtige Forderung der Hilfs­ organisationen ist auch die Prävention. Denn Pflegebedürftigkeit wird oft durch einen Unfall in den eigenen vier Wänden, z.B. mit der Folge eines Oberschenkel­ halsbruches, ausgelöst. Damit würde ein barrierefreier Wohnraum langfristig Kos­ ten in der Pflege und im Gesundheitswe­ sen reduzieren. Die Kosten der Pflege- und Betreuungseinrichtungen pro Per­ son sind äußerst unterschiedlich. Sie lie­ gen in Heimen bei über 34.000 Euro pro Jahr, beim Betreuten Wohnen bei etwa 19.000 Euro, wobei hier zusätzlich der Wunsch der Betroffenen nach dem Ver­ bleib in ihrer eigenen Wohnung beim Er­ reichen der Pflegebedürftigkeit erheblich länger realisiert werden kann. Wenn also Pflegeheime zunehmend auf höhere Pflegestufen (Ab Stufe 4) be­ schränkt werden und die Pflege durch Angehörige ebenso an Grenzen stößt, braucht es kostengünstige Alternativen für Menschen mit geringem Pflegebedarf. Aus derzeitiger Sicht werden laut Silver Lining, einem privaten Bauträger für Be­ treute Wohneinheiten, bis 2029 rund 87.000 solche Wohneinheiten benötigt. Die durchschnittlichen Investitionsko­ sten für eine Einheit liegen bei 157.000 Euro, was damit in Österreich einen In­ vestitionsbedarf von rund 14,5 Milliar­ den Euro für die nächsten zehn Jahre ergibt. Auch die Parteien sehen in die­ sem Bereich Förderungspotenzial. ÖVP, Grüne und NEOS erwähnen in ihren Pro­ grammen die Förderung von Betreutem Wohnen dezidiert als Programmpunkt in ihrer Pflegepolitik. VORSORGE | Seniorenbetreuung 80 | GELD-MAGAZIN – SEPTEMBER 2019 ABSCHAFFUNG DES PFLEGEREGRESSES (GÜLTIG SEIT 1.1.2018) Seit 2018 ist es den Ländern untersagt, auf das Vermögen von Personen, die in statio­ nären Pflegeeinrichtungen betreut werden, zurückzugreifen. Gleiches gilt für das Vermö­ gen von Angehörigen und ErbInnen. Im Gegenzug erhalten die Länder 100 Millionen Euro zusätzlich über den Pflegefonds. Das Ziel des Pflegeregresses war es, die Kosten und Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung der pflegebedürftigen Person durch den Rückgriff auf die Finanzen von Ehegatten und Verwandten ersetzt zu bekommen.

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