GELD-Magazin, Juni 2019

Obwohl Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnt, haben einige Menschen den Eindruck, der Planet sei ohnedies nicht mehr zu retten. Etwa mit Blick auf den Klimawandel, weltweite Aufrüstung, politische Konflikte. Wie schlimm ist die Situation tatsächlich? Cyrill Zimmermann: Geopolitische Spannungen begleiten uns seit Menschen- gedenken und klimatische Veränderungen seit einigen Generationen. Sich dem schicksalsergeben auszuliefern, ist keine Option. Umso mehr gilt es, dass Staaten, Unternehmen und Einzelpersonen sich ihres Einflussbereiches bewusst werden und ins- gesamt eine nachhaltigere Lebensweise anstreben. In Bezug auf das Gesundheitswe- sen ist festzustellen, dass der Kostendruck immens zunimmt. Die Überalterung der Gesellschaften greift mit der steigenden Lebenserwartung nun auch auf Schwel- len- und Entwicklungsländer über. Zugleich nehmen Volkskrankheiten wie Bluthoch- druck, Diabetes oder Arthritis rapide zu. Dies führt dazu, dass Innovationen neben dem medizinischen Nutzen auch die kosten- und ressourcenschonende Anwendung im Blick haben müssen. Vor rund einem Jahr hat Bellevue mit dem BB Adamant Sustainable Healthcare den ersten nachhaltigen Gesundheitsfonds lanciert, nach welcher Methodik werden hier die Unternehmen ausgewählt? Der Fonds investiert in nachhaltig ge- führte Gesundheitsfirmen mit innovativen Geschäftsmodellen. Als Grundlage dient die langjährige und erfolgreiche Adamant Healthcare Index-Methodologie. Als Zusatz- schritt werden die selektierten 600 Aktien einer Nachhaltigkeitsprüfung unterzogen, wonach noch rund 300 investierbare Un- ternehmen das Anlageuniversum bilden. Für die Bewertung der Nachhaltigkeit set- zen wir auf die Expertise des unabhängigen Analysehauses Sustainalytics mit Sitz in Amsterdam. Unternehmen müssen, um im Fonds zu bestehen, mehrere Kriterien er- füllen: Sie sollten zu den nachhaltigsten Unternehmen ihrer Branche zählen (Best in Class-Ansatz), keine schwerwiegenden ESG-relevanten Kontroversen vorweisen, die Prinzipien des UN Global Compact einhalten und in keinem umstrittenen Geschäftsfeld des Gesundheitsbereichs aktiv sein, wobei alle Kriterien individuell geprüft werden. Wodurch zeichnen sich nachhaltige Pharmafirmen aus bzw. wie unterschei­ den sie sich von den „konventionellen“ Mitbewerbern? Bedingt durch den gesellschaftlichen Druck und auch die steigende Nachfrage von Investoren müssen sich immer mehr Leis­ tungserbringer im Gesundheitssystem fragen, ob sich ihr operatives Geschäft an ESG-Kriterien orientiert: Umwelt, soziale Belange und gute Unternehmensführung. Nachhaltigkeit in der Gesundheitsbranche kann beispielsweise durch eine ökologische Beschaffungspolitik für die Medikamen- tenherstellung, hohe Sicherheitsstandards bei Produkten und Dienstleistungen so- wie der Ausrichtung klinischer Studien nach ethischen Grundsätzen gewährleistet wer- den. Bei Patienten stehen die Früherkennung schwerer Krankheiten wie HIV oder Krebs, personalisierte Medizin im Sinne einer zielge- richteten Wirkung von Arzneien und effiziente Behandlungsmethoden mit Operationsro- botern bei minimalinvasiven Eingriffen im Mittelpunkt. Ein weiteres Kriterium spiegelt 46 | GELD-MAGAZIN – Juni 2019 Vor dem Klimawandel und anderen globalen Bedrohungen darf man nicht kapitulieren, meint Cyrill Zimmermann. Stattdessen müssen Staaten, Unternehmen und Anleger aktiv die Probleme anpacken. Das Schöne daran: Mit Investments in Nachhaltigkeit lässt sich auch im Gesundheitsbereich eine attraktive Rendite erzielen. Harald Kolerus Das Schicksal selbst gestalten expertstalk | Cyrill Zimmermann, Bellevue Asset Management Einschaltung — CREDIT: beigestellt sich in der Preispolitik einer Firma wider: Medikamente sollten möglichst für alle Be- völkerungsgruppen erschwinglich sein. Manche Menschen haben generell nicht die beste Meinung von der Pharma­ branche, etwa mit dem Verweis auf Tierversuche und große Marktmacht von „Pharmamultis“. Was antworten Sie diesen Kritikern? Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohler- gehen fördern ist das Ziel Nummer drei der UN Sustainable Development Goals. Somit führt kein Weg an der pharmazeutischen Industrie vorbei. In keinem Land der Welt dürfen heute Medikamente ohne vorherige Tierversuche zugelassen werden. Vielmehr gilt es die Frage zu klären, inwieweit Tier- versuche reduziert, verfeinert oder zukünftig gar anderweitig ersetzt werden könnten. Viele Pharma-Unternehmen orientieren sich heute an dem sogenannten 3R-Prinzip (Replacement, Reduction, Refinement), wo- mit der Verhältnismäßigkeit im Einsatz von Tierversuchen Rechnung getragen wird. Marktbeherrschung globaler Pharma-Mul- tis kann in der Tat zu ungerechtfertigten Preisfestsetzungen bis hin zu Korruptions- vorfällen führen. Solchem Missverhalten in Bezug auf Governance und Unterneh- mensethik können Unternehmen mittels ESG-Direktiven und entsprechender exter- ner Überprüfung begegnen. Hier setzt etwa auch die ESG-Analyse unseres Partners Sustainalytics an, die jedes Unternehmen akribisch auf entsprechende Vorfälle prüft und insbesondere auch untersucht, wel- chen Stellenwert die Corporate Governance im Unternehmen einnimmt. Verstöße ge- gen UN Global Compact-Richtlinien führen

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