GELD-Magazin, Juni 2019

D as Grundproblem bei den CO 2 - Zertifikatenwar, dass ursprüng­ lich viel mehr Zertifikate ausge- geben wurden, als Emissionen entstan- den sind – das war natürlich kein Anreiz, in klimaschonende Projekte zu investie- ren. Diese Fehleinschätzung kam auch durch die Finanzkrise 2008/09 zustan- de, denn damals wurden viele Anlagen heruntergefahren und verbrauchten so weniger CO 2 als erwartet. Durch die hohe Menge an Überschusszertifikaten konn- ten von den 95 im ETS erfassten hei- mischen Unternehmen 77 ihre Gratiszu- teilungen zu klingender Münze machen, vor allem solche aus der E-Wirtschaft, der Chemie-, Papier- und Zementindu- strie. Der Bund unterstützte nicht nur bestehende, er kaufte auch Zertifikate für Neuanlagen. Dabei mussten nur die voestalpine, der Verbund und die OMV nennenswerte Mengen an CO 2 -Papieren zukaufen. Doch die – in altwienerischer Ausdrucksweise – echte Chuzpe war, dass die mit Überschusszertifikaten be- schenkten Unternehmen, vor allem aus der E-Wirtschaft, diese durch Verkauf zu Geld machten und trotz des unverhofften Gewinnes aus dem ETS ihren Energie- kunden die Preise, die sie dabei lukrier­ ten, als Kosten in Rechnung stellten und flugs die Strompreise erhöhten. Forde- rungen nach einer Umwidmung der Gra- tiszuteilung an Neuanlagen, die noch bis 2020 laufen, verhallten ungehört. Die Ziele, die von der EU vorgegeben wurden, wie etwa eine CO 2 -Reduktion um 30 Pro- zent bis 2020, wären auch ohne Gratis- zertifikate mit einschneidenden politi­ schen Maßnahmen und Vorgaben für die CO 2 -Reduktion zu erreichen. 50 Prozent der CO 2 -Emissionen werden von Indus- trieunternehmen und der E-Wirtschaft in die Atmosphäre geblasen. Nettes Körberlgeld Karl Schellmann, Klima- und Ener­ giesprecher WWF Österreich, erläutert den CO 2 -Emissionshandel: „Geplant war, dass je nach ihren CO 2 -Emissionen die Industriebetriebe CO 2 -Zertifikate zu- geteilt bekommen und dann, wenn ihre Emissionen steigen oder sinken, kaufen müssen oder verkaufen können. Man dachte, wenn man die Emissionen an den Zertifikatehandel koppelt und diese Zertifikate schrittweise verringert, hät- ten die Unternehmen den Anreiz, ihre Emissionen zu senken. Doch wegen des großen Überschusses an Gratis-Zertifi- katen hatten diese Papiere nur einen ge- ringen Wert von zwei bis drei Euro pro Tonne CO 2 .“ Der Stahlkonzern voestal- pine gehört zu den größten CO 2 -Emit- tenten Österreichs. Mit Emissionen von etwa zehn Millionen Tonnen pro Jahr ist er für einen wesentlichen Teil der öster- reichischen Industrieemissionen verant- wortlich. Im Jahr 2011 warnte Gene- raldirektor Wolfgang Eder vor existenz- gefährdenden Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr bis 2020, die auf den Konzern zukommen könnten. Doch wie sah es in der Realität aus? Pro Jahr musste die voestalpine zwischen 2,5 und 8,0 Millionen Euro ausgeben, um die Vorgaben des ETS zu erfüllen. Ein be- scheidener Betrag für einen milliarden- schweren Konzern. EU-weit besteht 2020 noch immer ein Überhang von 1,4 Milliarden CO 2 - Zertifikaten. Für das Erreichen der Pa- riser Ziele (Begrenzung der Klimaerwär- mung um maximal zwei Prozent) sind ab spätestens 2020 CO 2 -Preise zwischen 40 und 80 US-Dollar notwendig, die bis 2030 auf 50 bis 100 US-Dollar steigen müssen, meinen die Klimaexperten von Global 2000. Paradox ist nämlich, dass durch den massiven Ausbau an Erneu- erbaren Energien und einer Erhöhung der Energieeffizienz, die als EU-Richtlinie vorgeschrieben wurde, der Zertifikatebe- darf weiter sinkt. Allein die vier „Carbon Fat Cats“ in Deutschland (BASF, Thyssen Krupp, Salzgitter undHeidelberg Cement) erzielten von 2013 bis 2019 insgesamt fünf Milliarden Euro an zusätzlichen Er- trägen. „Die Ziele der gesamten EU lau- creditS: beigestellt,pixabay Brennpunkt | CO 2 -Zertifikate 16 | GELD-MAGAZIN – juni 2019 Jahrelang wurde der wirkliche Bedarf an CO 2 -Zertifikaten deutlich überschätzt. Daher ist der Emissions- handel (ETS) mit diesen Papieren nur sehr langsam in Gang gekommen. Doch nun scheint der Durchbruch geglückt, die Zertifikatepreise steigen kräftig. Auch Anleger können mitverdienen. Wolfgang Regner Emissionshandel kommt in Fahrt Open End Indexzertifikat auf CO 2 Emissions- rechte, ISIN DE000DR1WBM0 (Stuttgart) Chartkurve zeigt hinauf 7,5 5,0 2,5 10,0 12,5 17,5 15,0 20,0 2017 2018 2016 ’19 in Euro

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=