GELD-Magazin, Mai 2019

Franz Witt-Dörring, Schoellerbank | INTERVIEW MAI 2019 – GELD-MAGAZIN | 21 Nach welchen Kriterien schätzen Sie die Aktienmärkte ein? FRANZ WITT-DÖRRING: Das erste Kriterium ist die Bewertung, also wie preiswert Aktien gerade sind. Die gängigste Bewertungsmög- lichkeit ist hier das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das jedoch auch immer im Zusamm- enhang mit der Gewinnentwicklung betrach tet werden sollte. Ein weiteres, wichtiges Kri- terium ist die Anlegerstimmung. Wenn diese zu euphorisch ist, dann ist es ratsam, vor- erst nicht zu investieren. Umgekehrt bieten Zeiten der Unsicherheit oft gute Gelegen- heiten für weitsichtige Anleger. Wir agieren also antizyklisch. Was sind die Vorteile dieser Investment- strategie? Wir haben die Bullen- und Bärenmärkte der vergangenen Jahrzehnte analysiert und fest- gestellt, dass ein übertriebener Pessimismus meist das Signal für den Einstieg gab. Wenn ein Bärenmarkt zu Ende geht, steigen die Kurse oft schon deutlich an, während viele Investoren noch ängstlich sind. Erfolgreich ist man als Aktionär dann, wenn man an dieser Stelle bereits kauft. Können Sie mit Ihren Kriterien gar einen Bärenmarkt prognostizieren? Bewertung und Anlegerstimmung können einen Trendwechsel auf dem Aktienmarkt in- dizieren. Doch auch damit kann man einen Bärenmarkt nicht zielsicher vorhersagen. Nur selten baut sich eine Blase – wie etwa im Jahr 2000 – auf, die anhand der Bewer- tung und der Anlegerstimmung eindeutig zu erkennen ist. Die meisten Bärenmärkte werden durch Faktoren außerhalb des Ak- tienmarktes ausgelöst. Warum achten Sie dann auf die Bewer- tung und die Anlegerstimmung? Diese Parameter sind unserer Erfahrung nach für den langfristigen Anlageerfolg entscheidend. Selbst wenn ein Anleger un- glücklicherweise genau dann kauft, wenn ein Bärenmarkt beginnt, ist die Bewertung der Aktien generell wichtig. Sämtliche Analysen zeigen, dass Aktien- märkte wesentlich schneller ihre alten Höchststände wieder erreichen, wenn sie vor Beginn des Bärenmarktes nicht deut- lich überbewertet waren. Die Vorgeschichte macht den Unterschied. Der Aktienmarkt zeigt sich – wie erst kürzlich – immer wieder mal von seiner ruppigen Seite. Der Beginn eines neuen Bärenmarkts wird indes oft rasch vorausgesagt. Der Vorstandsvorsitzende der Schoellerbank, Mag. Franz Witt-Dörring, führt im Folgenden aus, weshalb Anleger gerade dann optimistisch bleiben sollten. Langfristiger Optimismus lohnt sich Wie lange sollte man sich als Anleger in Bärenmärkten gedulden? Betrachtet man die Entwicklung des S&P 500 über Jahrzehnte, so dauerte es durch- schnittlich nur 2,4 Jahre, bis die alten Höchststände wieder erreicht wurden. Selbst nach der Finanzkrise, die 2008 begann und die globalen Märkte mehrere Jahre beschäf- tigte, zogen überschaubare viereinhalb Jahre für die Erholung ins Land. Wozu raten Sie Ihren Kunden demnach? Angesichts des aktuellen Nullzinsumfelds, lässt man die derzeit größten Renditechan- cen verstreichen, wenn man nicht in Aktien investiert ist. Dabei zu versuchen, den Markt zu „timen“, ist selten erfolgreich. Verpasst man über viele Jahre hinweg nur wenige der besten Börsenhandelstage, muss man mit massiven Einbußen von mehr als 50 Prozent auf die Gesamtperformance rechnen (Anm. d. Red.: siehe Grafik). Wir haben die Erfah- rung gemacht, dass sich Optimismus auf den Kapitalmärkten langfristig lohnt. www.schoellerbank.at CREDIT: beigestellt Mag. Franz Witt-Dörring, Vorstandsvorsitzender der Schoellerbank WUNSCHTRAUM: RICHTIGES „TIMING“ AUF DEM AKTIENMARKT Ein Anleger investierte vor zehn Jahren 10.000 Euro in den S&P 500. Wie ändert sich das Ergebnis, wenn er die besten fünf, zehn oder 20 Handelstage der vergangenen zehn Jahre versäumte? Quelle:Schoellerbankmit DatenausBloomberg Kapital nach 10 Jahren* volle 10 Jahre 53.850 € ohne die 5 besten Handelstage 41.053 € ohne die 10 besten Handelstage 33.826 € ohne die 20 besten Handelstage 24.348 € Weniger als 1% der Handelstage! *)OhneBerücksichtigung vonSteuern undKosten,Dividenden reinvestiert

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