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18. Januar 2021

EZB auf Auto-Pilot

Kommentar von Konstantin Veit, PIMCO, Leitender Portfoliomanager Euro-Staatsanleihen, zur bevorstehenden EZB Sitzung:

Konstantin Veit, PIMCO, Leitender Portfoliomanager Euro-Staatsanleihen
Konstantin Veit, PIMCO, Leitender Portfoliomanager Euro-Staatsanleihen

Der EZB-Rat tagt am Donnerstag, wobei wir nicht mit einer Anpassung des geldpolitischen Kurses rechnen. Die EZB ist auf Auto-Pilot. Sie wird beobachten, wie sich die gesamtwirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten entwickelt, und auf etwaige wesentliche Verschlechterungen der Finanzierungsbedingungen mit dem Pandemie-Notkaufprogramm (PEPP) reagieren – im Einklang mit ihrem lockeren Zinskurvenmanagement. Die EZB-Politik gibt europäischen Risikoanlagen Halt; allerdings haben sich die Spreads deutlich eingeengt, während die Risiken für die makroökonomischen Aussichten nach wie vor erhöht sind und eine starke fiskalische Dominanz vermutlich ausbleibt. Investoren sollten nur selektiv Risiken eingehen und wachsam bleiben.

Die aktuelle Strategie

Wie die EZB-Spitze mehrfach betont hat, strebt sie keine weitere Entspannung der Finanzlage an, sondern zielt vielmehr darauf ab, die aktuellen Finanzierungsbedingungen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Da die Fiskalpolitik in einem Umfeld erhöhter Unsicherheit nahe der effektiven geldpolitischen Untergrenze als Instrument der Wahl gilt, besteht die Aufgabe der EZB in erster Linie darin, die Fiskalpolitik zu unterstützen und günstige Finanzierungsbedingungen für den privaten und den öffentlichen Sektor der europäischen Wirtschaft zu gewährleisten. Ein Fokus auf die Finanzierungsbedingungen anstelle der allgemeinen Finanzlage räumt Aktien- und Währungsüberlegungen eine geringere Priorität ein und legt einen Übergang von dem Umfang der Programme auf die Preise, und letztlich auf eine Art Zinskurvenmanagement nahe.

Wir halten das PEPP-Programm für ein geeignetes Instrument, um ein lockeres Zinskurvenmanagement im Euroraum zu betreiben, da es sowohl dem allgemeinen geldpolitischen Kurs als auch dem Transmissionskanal gerecht wird. Die EZB wird die inhärente Flexibilität des PEPP-Programms auch weiterhin nutzen, um die Zinskurve zu kontrollieren – je nachdem, ob der Ausdruck ihrer geldpolitischen Haltung oder die Funktion als Transmissionskanal im Vordergrund steht, um die Kreditkonditionen für alle Euro-Volkswirtschaften über die Dauer der Pandemie günstig zu halten. Das institutionelle Gefüge legt nahe, dass eine gewisse Zweideutigkeit verbleibt; doch je deutlicher die EZB beschließt, ihre Reaktionsfunktion zu kommunizieren, desto weniger Vermögenswerte wird sie im Rahmen ihres lockeren Zinskurvenmanagements schlussendlich erwerben müssen, da der Privatsektor beteiligt sein und seinerseits Investitionen tätigen wird.

Der mittelfristige Ausblick

Sobald die pandemiebedingten Auswirkungen auf den Inflationspfad durch vorübergehende Maßnahmen wie PEPP und entschiedene Langfristtender (TLTROs) ausreichend neutralisiert sind, dürften abermals gängigere Instrumente zum Ankauf von Vermögenswerten in den Fokus rücken, um den geldpolitischen Kurs nach Bewältigung der Pandemie ab 2022 zu bestimmen, während Zinssenkungen weiterhin nur eine untergeordnete Rolle spielen sollten. In diesem Zusammenhang dürfte die Strategieüberprüfung dazu beitragen, die neue Rolle einer Geldpolitik am Rande der effektiven Untergrenze zu gestalten und zu kommunizieren. Die Ergebnisse der Beratungen sollen in der zweiten Jahreshälfte präsentiert werden – denn obschon immer mehr Fragen auftauchen und die Überprüfung allmählich mehr Form annimmt, ist es für EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermutlich noch einige Monate zu früh, um bedeutende Erkenntnisse preiszugeben.

Während die Zahl der Themenbereiche, mit denen sich die Überprüfung befasst, weiter wächst – auf inzwischen 13 verschiedene Arbeitsschwerpunkte –, gehen wir nach wie vor davon aus, dass sie eher eine Evolution als eine Revolution in die Wege leiten wird, aus der sich unserer Einschätzung nach keine wesentlichen Implikationen für die Vermögensanlage ergeben. Mit oder ohne Strategieüberprüfung werden die Europäischen Notenbanker ihre Politik des lockeren Geldes noch einige Jahre lang fortführen müssen und, wenn überhaupt, wird das Fazit der Überprüfung wohl eher in die Richtung tendieren, an diesem Zustand noch länger festzuhalten.

Die Problematik

Das vorrangige Mandat der EZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten, die seit 2003 als Inflationsraten von knapp unter zwei Prozent auf mittlere Sicht definiert ist. Des Weiteren wird in der einleitenden Erklärung der Pressekonferenzen im Anschluss an die regulären geldpolitischen Sitzungen stets die Verpflichtung zur Symmetrie des Inflationsziels betont. Und die Inflationsaussichten bleiben düster. Im Dezember hielt sich die Gesamtinflation im Euroraum stabil bei -0,3 Prozent auf Jahressicht, womit sie zum fünften Monat in Folge ein negatives Vorzeichen aufwies. Die Kerninflation verharrte dagegen zum vierten Monat in Folge unverändert auf dem Allzeittief von 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aktuell belaufen sich die EZB-Prognosen für die Kern- und Gesamtinflation im Jahr 2023 auf 1,2 Prozent bzw. 1,4 Prozent – mit anderen Worten rechnet die EZB damit, ihre eigene Definition der Preisstabilität weitere drei Jahre lang deutlich zu verfehlen. Eine Inflation von 1,4 Prozent im Jahr 2023 ist erschreckend niedrig und wirft erneut Fragen über die Interpretation der Preisstabilität seitens der EZB auf sowie über die Strategie, den derzeitigen geldpolitischen Kurs schlichtweg beizubehalten, anstatt die Bedingungen energisch zu lockern.

Infolge des im Dezember 2020 beschlossenen Pakets geldpolitischer Maßnahmen ist zwar damit zu rechnen, dass die Inflationszahlen in der März-Runde der makroökonomischen Vorausschätzungen der EZB-Mitarbeiter leicht nach oben korrigiert werden. Doch die weniger präventive Haltung und die schwache Erfolgsbilanz bei der Erfüllung ihres vorrangigen Mandats erhalten die seit langem bestehenden Zweifel an dem Engagement der EZB aufrecht, das Inflationsziel symmetrisch bei rund zwei Prozent zu halten, und dämmen das Risiko, dass sich die Inflationserwartungen im Euroraum ähnlich wie in Japan vom Ziel abkoppeln könnten, nicht überzeugend ein.

PIMCO/Sj
Fotocredit: PIMCO

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