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17. September 2020

Die EU-Taxonomie

Durch die Einführung eines gemeinsamen Regelwerks zwischen Investoren, Emittenten, Projektträgern und politischen Entscheidungsträgern können Anleger beurteilen, ob die Investitionen strenge Umweltstandards erfüllen und mit hohen politischen Verpflichtungen wie dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind.

Nina Lagron, CFA, Head of Large Cap Equities bei La Française

Beitrag von Nina Lagron, CFA, La Française Asset Management:
Im Dezember 2019 legte die Europäische Kommission den European Green Deal vor – ein übergreifendes Regelwerk und Maßnahmenprogramm zur Umgestaltung der europäischen Wirtschaft. Eine zentrale Komponente des Green Deal ist das vorgeschlagene „Klimagesetz“, das die EU verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Die EU hat eine ehrgeizigere Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels vorgeschlagen, die auf der Strategie von 2013 aufbaut. Die derzeitigen Hauptziele sind: eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent (gegenüber dem Stand von 1990), ein Mindestanteil von 32 Prozent für erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent  – ehrgeizigere Ziele werden derzeit erwogen.

Gesamte CO2-Emissionen der EU
(Quelle: Exane, August 2020)

Weitere Kernelemente des Green Deal sind Strategien und Maßnahmen zur Bereitstellung von sauberer, erschwinglicher und sicherer Energie, Bio-diversität, Null-Verschmutzung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion. Diese übergreifenden Ziele werden im Rahmen der Finanz- und Realwirtschaftspolitik im öffentlichen und privaten Sektor verfolgt.

Die EU-Taxonomie ist ein Instrument, mit dem Investoren erkennen, ob eine Wirtschaftsaktivität ökologisch nachhaltig ist, und um den Übergangsprozess zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu steuern.

Die Verabschiedung der Taxonomie-Verordnung im Juni 2020 markiert den letzten Schritt im Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung der weltweit ersten grünen Klassifikation nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten. Durch die Neuausrichtung der Investitionen des privaten Sektors auf umweltfreundliche Technologien und Unternehmen wird diese Verordnung der EU als Leitfaden dienen, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.

Es verwandelt den Europäischen Green Deal in einen umsetzbaren Fahrplan für Investoren, um den COP 21-Zielen zu entsprechen, und zielt daher darauf ab, hoch emittierende Sektoren zu dekarbonisieren und kohlenstoffarme Sektoren auszubauen.                                                     

Um in die vorgeschlagene EU-Taxonomie aufgenommen zu werden, muss eine Wirtschaftstätigkeit zu mindestens einem Umweltziel wesentlich beitragen und den anderen fünf im Gesetzesentwurf dargelegten Umweltzielen „keinen erheblichen Schaden“ zufügen.

Die Taxonomie umfasst drei Ebenen grüner Aktivitäten, die taxonomiegerecht ausgerichtet werden können:
  1. Die erste und naheliegenste Ebene sind Aktivitäten, die bereits kohlenstoffarm sind, wie etwa erneuerbare Energien.
  2. Die zweite Ebene sind Aktivitäten, die eine Emissionsreduzierung bei anderen Aktivitäten ermöglichen, z. B. bei der Herstellung von Komponenten, die für die Erzeugung erneuerbarer Energie notwendig sind („Enabling Activities“).
  3. Die dritte Ebene umfasst Aktivitäten, die heute noch nicht kohlenstoffarm sind, bei denen die erforderlichen Techniken möglicherweise noch nicht vorhanden sind, die aber in Zukunft umweltfreundlich werden können, wie z. B. nachhaltige Mobilität und Transport, Best-in-Class-Gebäude.

Die kürzliche Verabschiedung der Taxonomie-Verordnung durch das Europäische Parlament stellt den letzten Rechtsschritt zur Schaffung der weltweit ersten Klassifikation nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten dar. Es wird erwartet, dass sie eine Wirkung auf private Investments haben wird, um die Transformation der EU-Wirtschaftsaktivitäten in Richtung der European Green Deal Ziele in Gang zu setzen.

Die Klassifizierung basiert auf technischen Überprüfungskriterien, -methoden und -richtlinien, die im EU-Taxonomie-Bericht beschrieben sind. Diese hat die Technische Expertengruppe der EU (TEG) zusammen in umfangreichen Beratungen mit den Stakeholdern ausgearbeitet. Hierzu wurden außerdem zahlreiche Experten aus den von der Taxonomie abgedeckten Sektoren einbezogen.

Gegenwärtig beschränken sich die von der EU-Taxonomie abgedeckten Sektoren auf:
  • * Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei
  • * Fertigung
  • * Versorgung mit Elektrizität, Gas, Dampf und Klimaanlagen
  • * Wasser, Kanalisation, Abfall und die damit verbundene Entsorgung
  • * Transport und Lagerung
  • * Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT)
  • * Gebäude (Bau- und Immobilienaktivitäten, ggf. Anwendung auf andere Sektoren)

Dies bedeutet, dass ein breites Spektrum von Sektoren, die an den Börsen gelistet sind, wie z.B. Gesundheitswesen, Konsumgüter und Finanzen, derzeit nicht abgedeckt ist und zusätzliche detaillierte Ad-hoc-Analysen von Investoren erfordert. Darüber hinaus sind die Informationen über die Eignung der Unternehmensaktivitäten nicht immer allgemein verfügbar, was ein fundiertes Verständnis nicht nur des Unternehmens, sondern auch der Klimafinanzierung erfordert.

Jenseits des Klimawandels

Für jeden nachhaltigen Investor war die aktuelle Gesundheitskrise ein Lackmustest in Bezug auf die Art und Weise, wie das Unternehmen seine Belegschaft schützen und gleichzeitig mit der Produktion Schritt halten konnte. Es hat sich gezeigt, dass jede Klimawandelstrategie nicht nur auf Emissionen ausgerichtet sein soll, sondern auch eine soziale Ebene haben muss. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf bestimmte komplexe Bereiche der Batterie-Lieferkette, d.h. die Gewinnung von Rohstoffen wie Kobalt, die wegen möglicher sozialer Verstöße auf der roten Liste stehen.

Derzeit müssen taxonomiegerechte Aktivitäten soziale Mindestgarantien wie grundlegende Arbeitsrechte erfüllen. In der endgültigen Fassung des Regelwerks ist jedoch keine soziale Taxonomie enthalten. Der Bericht erkennt jedoch an, dass eine umfassende Taxonomie soziale Ziele beinhalten sollte. Dies ermöglicht die Einführung einer sozialen Taxonomie in der Zukunft, und wir hoffen, dass dies als nächster Schritt umgesetzt wird, um eine wirklich nachhaltige Investmentstrategie zu gewährleisten.

La Française Asset Management/sj

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