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16. November 2022

Die abgesagte Rezession

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Österreichs Wirtschaft könnte mit einem blauen Auge davonkommen und nicht in die Rezession abrutschen. Das wahrscheinlichste Szenario heißt Stagflation, meint IHS-Direktor Klaus Neusser im Gespräch mit dem GELD-Magazin.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert für das kommende Jahr in Österreich ein Wachstum von 0,3 Prozent. Das ist wahrlich nicht viel, die Rezession könnte somit aber doch abgewehrt werden.

Corona-Nachwehen, Ukraine-Krieg, extreme Inflation: Das alles sieht nicht rosig aus. Können Sie bitte kurz die globale Wirtschaftslage zusammenfassen?

Klaus Neusser, IHS Direktor
Klaus Neusser: „Ich bin ein Gegner der Besteuerung von Zufallsgewinnen.“

Tatsächlich hat sich seit Juni das gesamte ökonomische Umfeld eingetrübt. Für die USA sind die Prognosen allgemein nach unten angepasst worden. Die Vereinigten Staaten stehen unterschiedlichen Schätzungen zufolge kurz vor der Rezession oder befinden sich bereits in dieser. Auch für Deutschland, dem für Österreich wichtigsten Wirtschaftspartner, werden die Prognosen zurückgefahren. Manche Experten und Expertinnen gehen für Deutschland von einer Rezession im kommenden Jahr aus.

Wie sieht die Situation nun für die heimische Wirtschaft aus?

Österreich reagiert mit einer gewissen Verzögerung auf die weltwirtschaftliche Entwicklung, das IHS hat seine Prognosen jetzt aber nach unten revidiert. Ich möchte dabei festhalten, dass Österreich nicht so schlecht aufgestellt ist. So trifft uns etwa der Einbruch in China weniger dramatisch wie Deutschland, das stark von Exporten abhängig ist. Ein Vorteil für Österreich ist, dass der Tourismus im Sommer gut gelaufen ist, das merkt man sowohl an den Nächtigungs- als auch Beschäftigungszahlen. Wenn es im Winter so weiter geht, ist das ein großer Pluspunkt für unsere Wirtschaft.

Österreich wird also nicht in die Rezession abrutschen?

So sieht es derzeit aus. Das heimische Wachstum befindet sich auf hohem Niveau, das wird voraussichtlich zurückgehen aber nicht in die Rezession abstürzen. Das wahrscheinlichste Szenario lautet somit: Stagflation, das bedeutet Stagnation plus Inflation. Die österreichische Volkswirtschaft dürfte in der ersten Jahreshälfte im laufenden Jahr um 4,7 Prozent zulegen. Für 2023 wird nur noch ein Wachstum von 0,3 Prozent erwartet. 

Eine gute Nachricht, aber wie wird es mit der extrem hohen Inflation weitergehen? 

Bis zum Ende des Jahres wird die Teuerung noch etwas fortschreiten, dann ist langsam eine gewisse Entspannung in Sicht. Getrieben von den hohen Energiepreisen und in Einklang mit der internationalen Entwicklung dürfte die heimische Inflationsrate laut unserer Herbst-Prognose heuer im Jahresdurchschnitt 8,5 Prozent betragen und mit 6,8 Prozent auch im nächsten Jahr hoch bleiben. Wir sehen aktuell keine extremen Inflations-Treiber mehr, auch wenn höhere Lohnabschlüsse einen gewissen Schub darstellen werden und die hohen Gaspreise noch nicht völlig bei Konsumenten und Industrie angekommen sind. Für 2024 haben wir noch keine Prognose angestellt, die Inflation könnte sich dann aber auf einem Niveau von rund fünf Prozent bewegen.

Tatsache ist: Unser Leben bleibt teuer. Wie sind Sie mit den heimischen Plänen zur Abfederung zufrieden? 

In Summe halte ich die sehr vielen Maßnahmen für positiv, wobei ich die Kritik an der „Gießkannen-Methode“ schon nachvollziehen kann, denn es wird praktisch jeder profitieren. Allerdings ist es sehr schwierig zielgerichtet vorzugehen, das ist viel leichter gesagt als getan. Es handelt sich bei dem umfangreichen Maßnahmenpaket aus meiner Sicht jedenfalls um keinen Fehlschlag.

Fotocredit: Martina Berger

www.ihs.ac.at

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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