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24. Januar 2023

China mit Comeback

RegnerWolfgang sw-e1590129039233
Wolfgang Regner Redakteur

Nach dem für Investoren sehr enttäuschenden Jahr 2022 könnte es im neuen Jahr deutlich besser laufen. Vor allem qualitativ hochwertige Anleihen versprechen ein attraktives Ertragspotenzial. Denn der Inflationsgipfel ist wohl bereits erreicht. Interview mit James Ashley, Chefstratege für Europa und Asien bei Goldman Sachs Asset Management.

James Ashley, Chefstratege für Europa und Asien bei Goldman Sachs Asset Management
James Ashley, Chefstratege für Europa und Asien bei Goldman Sachs Asset Management

Wie sieht Ihr Ausblick für das globale Makro-Umfeld des Asset Management aus?

Auch wir haben keine Glaskugel zur Verfügung, aber wir können Prognosen abgeben, die eine unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Konzentrieren wir uns daher auf jene Forecasts, die wir als besonders wahrscheinlich erachten. Beginnen wir mit dem Ausblick für das globale Wachstum der Weltwirtschaft. Hier sehen wir unterschiedliche Entwicklungen. So dürfte etwa in China als Folge des Endes der strikten Null-Covid-Politik einiges an Aufwärtspotenzial für die für das dortige Bruttoinlandsprodukt bestehen. Dieser Rebound des chinesischen Wirtschaftswachstums bedeutet einerseits ein positives Momentum für die Weltwirtschaft, andererseits aber auch einen zusätzlichen inflationären Impuls. Europa dagegen befindet sich bereits in einer Rezession, aber sie wird wahrscheinlich relativ mild ausfallen oder aufgrund der verbesserten Indikatoren sogar ganz ausbleiben. Genau dazwischen befinden sich die USA. Hier sollte das Wachstum sich im weiteren Jahresverlauf wieder etwas erholen. Die wichtigste Frage des Makro-Ausblicks lautet jedoch: Wie wird sich die Inflation entwickeln?

Viele Volkswirte erwarten eine deutliche Abschwächung der Teuerungsraten. Sie auch?

Wir denken, dass es zu einer signifikanten Abschwächung kommen kann. Dafür sprechen zwei Hauptgründe. Erstens die wahrscheinliche Schwäche der volkswirtschaftlichen Nachfrage. Dies wird den Preisdruck deutlich abmildern. Und zweitens, der positive Basiseffekt. Viele der Input-Preise, die wir in den nächsten Monaten erwarten, werden rein statistisch mit der deutlich höheren Preisbasis des Jahres 2022 verglichen, so etwa die Energiepreise, und daher im Vergleich signifikant niedriger ausfallen. Allerdings werden die Preise immer noch deutlich über den Inflationszielen der wichtigsten Notenbanken liegen. Ein wichtiger Faktor hierfür bildet die Entwicklung der Arbeitsmärkte, die sich bisher- anders als in einem rezessiven Umfeld zu erwarten, relativ stabil zeigen.

Dabei handelt es sich aber um einen nachlaufenden Indikator, können wir also erwarten, dass sich im weiteren Jahresverlauf auch die Arbeitsmärkte deutlich abschwächen?

Sie werden etwas moderater verlaufen, aber eine kräftige Abschwächung erwarten wir nicht. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass viele Unternehmen nur recht ungern ihr Personal deutlich reduzieren wollen, da sie befürchten, im nächsten Aufschwung dann nicht ausreichend qualifizierte neue Mitarbeiter zu finden. Die Firmen „horten“ daher geradezu ihr Personal im Ausblick auf bessere Zeiten. Dafür spricht auch, dass viele Mitarbeiter der „Baby-Boom-Generation“ gerade dabei sind, in Pension zu gehen. Dieser demografische Effekt wird die kommenden Jahre über weiter anhalten. Diese Kontraktion des Personalbestandes ist in Europa besonders ausgeprägt, auch China könnte in dieser Hinsicht Probleme bekommen. Dieser Faktor könnte die zyklische Abschwächung etwas verstärken. In den übrigen Emerging Markets, etwa in Indien oder in Teilen Afrikas, sieht es diesbezüglich anders aus.

Ein ebenfalls sehr wichtiger Wachstumsfaktor ist der private Konsum. Wie wird dieser sich im laufenden Jahr entwickeln?

Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir uns die Entwicklung der größten Einkommensbestandteile ansehen, also Löhne und Gehälter, Ersparnisse und das Kreditvolumen. In nomineller Berechnungsweise, also vor Einberechnung der Inflation, dürfte das Haushaltseinkommen etwa in Europa 2023 um zwei bis vier Prozent zunehmen. Die Realeinkommen allerdings werden wegen der immer noch relativ hohen Inflation zurückgehen. Vor allem in Europa wird der Druck auf den privaten Verbrauch zunehmen – auch dies ist ein Faktor, der für eine Abschwächung der Preissteigerungen spricht. Langfristig gesehen wird die Inflation sich allerdings auf einem weiterhin erhöhten Niveau einpendeln. Die Zeiten der sehr billigen Energie, der günstigen Lohnkosten und auch des positiven Effekts der Globalisierung sind wohl vorbei. Dazu kommen die Anforderungen der Dekarbonisierung. Ein Extrembeispiel ist China: Hier sind seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2000 die Lohnstückkosten um über 200 Prozent gestiegen, haben sich also verdreifacht. Damit sind auch die Zeiten des billigen Outsourcings in Entwicklungsländer größtenteils vorüber.

Werden die Notenbanken ihr Inflationsziel anheben müssen, wenn sich zeigt, dass die aktuellen Ziele von rund zwei Prozent Plus nicht zu erreichen sind?

An eine Neuformulierung von Inflationszielen werden die Notenbanken nur mit größter Zurückhaltung herangehen. Natürlich erscheint es wahrscheinlicher, dass sich ein neues Ziel von etwa drei Prozent Inflation realistischer erreichen lässt. Außerdem könnten auch andere monetäre Aggregate an die Stelle eines Inflationsziels treten: Etwa das Geldmengenwachstum, oder das nominelle Bruttoinlandsprodukt. Daran glauben wir aber nicht, denn im Zuge einer solchen Neuausrichtung könnten die Notenbanken einiges an Glaubwürdigkeit verlieren.

Welche Risiken bestehen für die tatsächliche Realisierung dieser Ihrer Prognosen?

Natürlich gibt es Faktoren, die jenseits unserer Prognosefähigkeit liegen. So ist nicht klar, wie die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft nach dem Ende der Null-Covid-Politik wirklich ablaufen wird. Schon jetzt arbeitet das chinesische Gesundheitswesen an seinen Kapazitätsgrenzen. Dazu kommen geopolitische Risikofaktoren. Wie wird sich der Ukraine-Krieg weiter entwickeln? Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht. Dazu kommt noch die Möglichkeit eines schwerwiegenden Fehlers der Notenbanken bei ihrer Geldpolitik. Denn diese zeigt erst mit erheblicher Verzögerung ihre tatsächliche Wirkung. Daher ist unsere Transparenz bei den Prognosen, die wir machen, beschränkt. Auch ist nicht sicher, ob das Zinshoch bei der FED Funds-Rate wirklich wie eigentlich erwartet bei rund fünf Prozent liegen wird. Zieht die Lohninflation stärker an und erweist sich die Preisinflation hartnäckiger als erwartet, könnte es länger bis zum schlussendlichen Zinshoch dauern. Dadurch würde sich auch der negative Einfluss der steigenden Zinsen auf die Unternehmensgewinne verstärken.

Wie sehen nun die Implikationen für Asset Allokation und Investments ihrer Makro-Prognosen aus?

Aufgrund der mangelnden Transparenz bei der Zinsentwicklung und der problematischen Visibilität bei den Unternehmensgewinnen weichen wir nach wie vor nur wenig von unserer strategischen Ausrichtung der Asset Allokation ab. Positiv gestimmt sind wir jedenfalls für qualitativ hochwertige Anleihen, bei High Yield-Papieren wären wir eher noch etwas zurückhaltend. Ähnliches gilt auch für Aktien, bei denen wir uns noch nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen würden. Bei den zum Teil schwer unter Druck geratenen Wachstumsaktien könnten wir uns vorstellen, dass es zu einem teilweisen Reversal nach oben kommt, also einer positiven Aufwärtskorrektur. Weiterhin zuversichtlich bleiben wir für die Sektoren Health Care und Energie. Generell aber ist das hohe nominelle Niveau der Geldmarktzinsen natürlich nicht zuträglich für die Entwicklung bei Aktien. In strategischer Hinsicht glauben wir, dass das sogenannte 60/40-Portfolio, also 60 Prozent Anleihen und 40 Prozent Aktien, welches 2022 regelrecht abgestürzt ist, wieder besser performen sollte. Ein weiteres Jahr, in dem Aktien und Anleihen gleichzeitig deutlich fallen, erscheint uns nicht sehr wahrscheinlich. Dies besonders deshalb, da dieses Jahr die zurückgehende Inflation, die ebenfalls zurückgehende gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die nachlassende Investitionstätigkeit der Unter-nehmen sowie der schwächere private Konsum den Notenbanken zum Großteil die Arbeit abnehmen werden.

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Wolfgang Regner Redakteur

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