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29. Oktober 2021

Bitterer Cocktail für Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft hat derzeit mit einem Cocktail aus Güterknappheit, Geldschwemme und steigenden Preisen zu kämpfen. Es ist ein schmaler Grat, der in einer Stagflation wie in der 1970er Jahren oder in einer baldigen Überwindung der Lieferengpässe und einer Entspannung der Lage münden wird.

Sieglinde Klapsch, Leiterin Private Banking Graz Steiermärkische Sparkasse
Sieglinde Klapsch, Leiterin Private Banking Graz Steiermärkische Sparkasse

Die Pandemie habe die Schattenseiten der jahrzehntelangen Entwicklung zu immer mehr globaler und engmaschiger Arbeitsteilung offengelegt. So Sieglinde Klapsch, Leiterin Private Banking Graz und Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse.

Weltwirtschaft im Würgegriff

Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse
Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien Steiermärkische Sparkasse

Vor allem die Abhängigkeit zu China rächt sich bitter. Fehlte es zu Beginn der Covid-Pandemie an medizinischer Grundausrüstung, wie Schutzanzügen oder Masken, so reißen jetzt weltweite Lieferketten in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Hunderttausende bestellte Autos können wegen einzelner, kleiner fehlender Teile – meist Chipbauteile – nicht ausgeliefert werden, Baumaterialien werden knapp und Energie wird zum Sorgenkind vor dem kommenden Winter.

Preise ziehen an

Die Inflation ist währenddessen deutlich über den Zielkorridor der Notenbanken von mittelfristig 2% gestiegen. Der „Basiseffekt“, also der Preisvergleich zum Vorjahreswert, wird sich aber mit dem Anstieg der Rohölpreise ab Anfang 2022 im Vergleich zu den Preisen Anfang 2021 massiv abschwächen und somit bereits eine mathematisch implizierte, „natürliche“, Abnahme der Inflation verursachen. Auf diesen Effekt setzen die Notenbanken und halten sich mit Maßnahmen zur Eindämmung der expansiven Geldpolitik ausdrücklich zurück. Ein effektiver Zinsanstieg ist frühestens spät im Jahr 2022 zu erwarten.

Gefahr der Stagflation

Können aber die Lieferketten nicht bald, also bis Mitte nächsten Jahres wieder grundsätzlich hergestellt werden, so fürchten bereits manche Experten, dass ein Szenario wie in den 1970er Jahren drohen könnte. Nämlich steigende Preise bei stagnierendem Wirtschaftswachstum, besser bekannt als Stagflation. Das wäre für die westlichen Volkswirtschaften eine große Herausforderung und würde die Schwankungsbreiten auf den Märkten spürbar erhöhen. Hoffnung besteht allerdings, dass keiner der namhaften Akteure Interesse an einem Abflauen des eben begonnenen Wirtschaftsaufschwungs hat.

„Cocktail“ für Käufer?

Auch die Lieferengpässe sind keine Einbahnstraße. Die Zulieferer sollten sich ihrer jetzigen Marktmacht nicht allzu sicher sein, denn die Beschaffungsmanager werden neue Produzenten suchen und neue Kapazitäten in der Zulieferindustrie aufbauen, je länger der Flaschenhals bestehen bleibt. Reagieren dann die Zwischenhändler, indem sie ihre zum Teil zurückgehaltenen Waren gleichzeitig weitergeben, so könnte in absehbarer Zukunft sogar ein temporärer Käufermarkt entstehen.

Die dann herrschenden Überkapazitäten würden einen deutlichen Preisrückgang der Zulieferindustrie zur Folge haben. Auf alle Fälle werden in Zukunft die Lieferstrukturen besser und marktresistenter aufgebaut, wodurch die Zulieferindustrie für Preisverhandlungen mittelfristig geschwächt werden wird. Das ist vor allem ein Auftrag an die Politik in Europa, die genau definieren sollte, welche zentralen Schlüsselproduktionen man in Zukunft nicht mehr aus der Hand geben darf.

Steiermärkische Sparkasse/HK

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