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1. Februar 2021

Arbeit ist zu hoch belastet

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Die Politik darf angesichts von Corona andere entscheidende ökonomische Themen nicht vergessen: Zum Beispiel die Senkung der Lohnnebenkosten, meint Karl Sevelda im Interview mit dem GELD-Magazin.

Als ehemaliger Chef der Raiffeisenbank International weiß Karl Sevelda, wo in der heimischen Wirtschaft der Schuh drückt. Heute spricht er sich als Präsident des Forschungsinstituts EcoAustria für strukturelle Reformen aus.

Was sind die Aufgaben und Forschungsschwerpunkte von EcoAustria?

Karl Sevelda: EcoAustria ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut, das ich als marktwirtschaftlich-liberal bezeichnen würde. Unser Fokus liegt auf der Analyse der öffentlichen Finanzen und der Effizienz des öffentlichen Sektors. Themen sind dabei etwa unser Pensionssystem, der Wirtschaftsstandort Österreich oder die Digitalisierung.

Auch Ihr Institut verfolgt natürlich die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, wie wird es 2021 weitergehen?

Karl Sevelda: Was die Konjunktur betrifft, schließen wir uns alles in allem den Einschätzungen von IHS und Wifo an. Ich halte es in der gegenwärtigen Situation zwar für mutig, konkrete Zahlen zu nennen, ich glaube aber, dass sich die Wirtschaft im Laufe des heurigen Jahres erholen wird und dass wir im Unterschied zu 2020 wieder Wachstum sehen werden. Leider sind Rückschläge nicht auszuschließen, wie uns die Mutation des Virus in einigen Ländern schmerzhaft vor Augen führt. Auch gilt es abzuwarten, wie sich verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auswirken werden, Stichwort Eintrittstests. Prinzipiell sehe ich aber einen Silberstreif am Horizont, vor allem wegen der nun anlaufenden Impfungen.

Wie sind Sie in Österreich mit den Maßnahmen gegen die Krise zufrieden?

Karl Sevelda: Grundsätzlich positiv – wenngleich man mitunter den Überblick verliert. Bei einigen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Abgeltung des Umsatzausfalls, könnte ich mir vorstellen, dass die Treffsicherheit nicht immer gegeben ist bzw. war. Ich begrüße außerdem, dass es beim Insolvenzrecht vorübergehende Änderungen und nunmehr eine Verlängerung dieser Maßnahmen gibt. Arm ist allerdings die Start-up-Szene und schwierig ist es in einigen Branchen auch für Großbetriebe wegen der relativ niedrigen Betragsobergrenzen für Förderungen.

Was könnte man noch besser machen?

Karl Sevelda: Um einer Zombifizierung von Unternehmen entgegen zu wirken, meine ich, dass man staatliche Kreditgarantien stärker forcieren sollte. Ein Unternehmer wird nur dann – garantierte aber rückzahlbare – Kredite in Anspruch nehmen, wenn er an ein Wiedererstarken seines Betriebes glaubt – im Unterschied zu Barzuschüssen. Ein Unternehmen stirbt zumeist an fehlender Liquidität – staatliche Kreditgarantien stellen daher auch weiterhin eine sinnvolle Hilfsmaßnahme dar. Außerdem macht es für den Staat durchaus einen monetären Unterschied, ob Garantien oder direkte Zuschüsse eingesetzt werden.
Was allerdings für die Unternehmen besonders wichtig wäre, ist Planungssicherheit. Das heißt, Maßnahmen der Bundesregierung sollten angekündigt, umgesetzt und dann möglichst nicht umgestoßen werden. Verbesserungspotenziale sehe ich auch in der Bürokratie, insbesondere in den Bereichen der Bildung und der Gesundheit.

Besteht die Gefahr, dass Corona andere wichtige wirtschaftspolitische Themen überschattet?

Karl Sevelda: Das ist natürlich richtig. Die gegenwärtige Krise darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine langfristige Entlastung der heimischen Wirtschaft unbedingt notwendig ist. Keinesfalls dürfen zur Sanierung des Staatshaushalts Steuererhöhungen erfolgen, das hielte ich für kontraproduktiv. Stattdessen wäre ein wichtiger Punkt die Senkung der Lohnnebenkosten, leider hat sich in dieser Beziehung in der Vergangenheit nicht viel getan. Es gilt in Österreich noch immer der Satz: Arbeitnehmer kosten zu viel und verdienen zu wenig. Arbeit ist also zu hoch mit Abgaben und Steuern belastet! Bei der Höhe der Abgabenquote liegt Österreich im EU-Vergleich nach wie vor im Spitzenfeld. Handlungsbedarf besteht natürlich auch weiterhin in den Bereichen der Sozialversicherung und des Pensionssystems.

Heißt das einfach ausgedrückt: Wir müssen länger arbeiten?

Karl Sevelda: Das alleine wäre zu kurz gegriffen. Die Lebenserwartung steigt, auch die Ausbildungszeiten werden länger. Somit wird es langfristig gesehen unumgänglich sein, dass Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben; das muss aber in direktem Zusammenhang mit neuen Arbeitszeitmodellen stehen. Es geht um die Flexibilisierung von Tages -, Jahres- und Lebensarbeitszeiten.

Zur Person: Dr. Karl Sevelda studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, im Jahr 1980 promovierte er zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Sevelda blickt auf eine 40-jährige Bankkarriere zurück und war von 2013 bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International. Heute ist er Präsident von EcoAustria und auch weiterhin in vielen Gremien und Aufsichtsräten aktiv. www.ecoaustria.at

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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