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21. November 2022

Anleihen wieder im Rampenlicht

Das wieder attraktive Zinsumfeld lässt Anleihemärkte zurecht in einem neuen Licht erstrahlen. Unternehmensanleihen – speziell, wenn nach ESG-Kriterien ausgewählt – sind in Hinblick auf Risiko und Ertrag in mehr als einer Hinsicht besonders attraktiv. Daniel Sailer, Leiter Sustainable Investment Office bei Metzler Asset Management, im Gespräch mit dem GELD-Magazin.

Daniel Sailer, Leter Sustainable Investment Office, Metzler AM
Daniel Sailer, Sustainable Investment Officer, Metzler Asset Management

Weshalb wird die Assetklasse Unternehmensanleihen aktuell für Investoren wieder interessant?

Lange haben Sparer auf höhere Zinsen gewartet – jetzt sind sie da und das ganz plötzlich. Denn weltweit erhöhen Notenbanken die Zinsen. Seit Jahresanfang haben die Anleger in Unternehmensanleihen schon mehrfach einen regelrechten Ausverkauf erlebt. Und obwohl die Märkte die Straffung der Geldpolitik bereits vorwegnehmen, erwarten die Investoren weiter steigende Renditen. In dieser Phase von sich stetig ändernden Rahmenbedingungen kann eine aktive Titelselektion einen wertvollen Beitrag leisten.

Welche Rolle spielen bei der Bewertung ESG-Kriterien?

ESG-Kriterien spielen eine große Rolle. Je mehr das Geschäftsmodell nachhaltig ausgerichtet ist, desto besser schätzen potenzielle Investoren die Ertragslage eines Emittenten von Wertpapieren ein. Entsprechend kann sich dies auf die Einschätzung des Ausfallrisikos auswirken. Nachhaltige Geschäftsmodelle können damit Refinanzierungskosten bei Neuemissionen senken. Das Bonitätsprofil wird entsprechend in den Verschuldungskenn-zahlen gestärkt, insbesondere im Zinsdeckungsgrad (EBIT/Zinsaufwand). Um ESG-Risiken zu messen, verwenden Anleger ESG-Ratings, zum Beispiel von Agenturen wie MSCI ESG Research. Zu beachten gilt, dass diese ein industrieadjustiertes ESG-Risiko messen, das auf einer Aktien-Industrieklassifikation beruht, z. B. dem Global Industry Classification Standard (GICS).

Müssen ESG-Ratings für Unternehmensanleihen adjustiert werden?

Aus unserer Sicht ist das notwendig, denn von industrieadjustierten ESG-Scores abgeleitete Ratings berücksichtigen u. E. nicht in ausreichendem Maß kurzfristige ESG-Risiken. Für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit stehen Investoren vor einem durch die Fälligkeit der Anleihe vorgegeben evtl. langen Zeitraum. Umso wichtiger ist daher die Frage, welche ESG-Risiken kurzfristig innerhalb der Restlaufzeit auf den Emittenten wirken können. So könnte beispielsweise ein schwaches Management von Arbeitssicherheit kurzfristig zu hohen finanziellen Schäden in Form von Produktionsausfällen oder Entzug der Betriebserlaubnis führen. Im Gegensatz hierzu würden sich zum Beispiel steigende CO2-Preise mittelfristig negativ auf die Kreditwürdigkeit auswirken. ESG-Ratings reflektieren nicht immer die Kontroversen in die Unternehmen verwickelt sind und diese müssen neben den Ratings beachtet werden, da sie auch kurzfristig negative Kreditwürdigkeitsrisiken bergen.

Man liest immer wieder, dass nachhaltige Unternehmen sich günstiger refinanzieren als Unternehmen, die keinen oder nur einen sehr geringen ESG-Ausweis haben. Warum ist das so? Welchen Einfluss hat diese Tatsache auf die Bewertung der entsprechenden Unternehmensanleihen?

Während bei europäischen Aktien eine Differenzierung nach ESG-Ratings seit 2007 mit stetigen Überschussrenditen einherging, zeigen unsere Analysen des Marktes für EUR-basierte Unternehmensanleihen keine signifikante strukturelle Differenzierung. Dies ist insbesondere in den aus ESG-Sicht undifferenzierten Anleihekaufprogrammen der Notenbanken begründet. Grundsätzlich sehen wir bei Unternehmensanleihen jedoch einen Zusammenhang auf unternehmensspezifischer Ebene, also bezogen auf den jeweiligen Emittenten. Das gilt insbesondere für die Risikoprämien, die Unternehmen für Fremdkapitalaufnahme bezahlen müssen. Darüber hinaus spiegelt sich dies in den ausstehenden Anleihen im Sekundärmarkt wider. Somit profitieren bereits in die Anleihe investierte Anleger von einer Reduzierung der Risikoprämie und Unternehmen von günstigere Refinanzierungskosten bei einer Verbesserung des ESG-Profils. Die Asset-Klasse ist jedoch komplexer und der zugrunde liegende „risikolose“ Zins kann entscheidend für die Wertentwicklung sein, besonders in den Marktphasen mit geringen Risikoprämien.

Welchen Einfluss hat ein positiver ESG-Score (beispielsweise von Industrieunternehmen) auf die Bewertung kurzfristiger Risiken?

Bei der Portfoliokonstruktion muss zunächst unterschieden werden, welche Risiken als kurz-, mittel- und langfristig zu erachten sind. Durch die Vermeidung der Nutzung von industrieadjustierten ESG-Scores für Unternehmensanleihen, denen konventionelle ESG-Ratings zu Grunde liegen, vermeiden wir im ersten Schritt Verzerrungen im Risikoprofil. Im weiteren Prozess steht unseren Portfoliomanagern ein sogenanntes ESG-Fixed-Income- Monitor zur Verfügung. Dieser verbindet ESG-Kennzahlen mit Fixed-Income-Kennzahlen, wie z. B. Credit-Rating, Laufzeit der Anleihe, Credit-Spread, Fixed- Income-Sektor sowie mit den sektorunabhängigen ESG-Scores und den wichtigsten ESG-Bewertungen (Pillar Scores). Dieses Analysewerkzeug ermöglicht eine Verbesserung des ESG-Profils der Portfolios unter Berücksichtigung der sonstigen Parameter, wie z. B. der Kreditqualität. Ob ein ESG-Risiko kurz-, mittel- oder langfristig akut wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie z. B. der Industrie, der Regulatorik, den Produkten und Absatzmärkten und von der Rolle des Unternehmens in dem voran schreitendenden Transformationsprozess.

www.metzler.com/asset-management





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